Lagavulin Feis Ile 2015
Letzten Mai hatten wir das Glück, die Destillerie in Lagavulin nicht nur während des Festivals, sondern auch noch zum Open Day zu besuchen. Wir waren mit der Flying Dutchman auf dem Weg von Jura nach Port Ellen unterwegs, und Käpt'n Klaas setzte uns direkt am Pier der Destillerie ab - vor Hunderten von Besuchern, die das Landungsmanöver interessiert verfolgten. Viel Zeit hatten wir nicht, bis die gebuchten Tastings und Touren anstanden. Wir hatten die Warehouse Experience gebucht, und von den beiden Lagavulin-Legenden Iain McArthur (Warehouseman) und Douglas Murray (Liquid Development Manager) bekamen wir sechs hervorragende Whiskies direkt aus den vor uns aufgebauten Fässern zu kosten. Na, um der Wahrheit die Ehre zu geben: es waren nur fünf Fässer. Der erste Tropfen war ein New Make, und der hatte natürlich noch kein Fass von innen gesehen.
Der siebte und letzte Whisky dieses Tastings war der Lagavulin Feis Ile 2015, also die aktuelle Festival-Abfüllung. Davon habe ich dann im Anschluss noch eine Flasche gekauft. Vor dem Shop gab es zwei Schlangen: die eine war gefühlte 50 Meter lang, die andere irritierende drei(!) Meter lang. Ein paar Fragen klärten den Grund für diese Ungleichheit: die kurze Schlange war den Barzahlern vorbehalten, während die Kartenzahler den Preis für ihre Bequemlichkeit bei der Portemonnaie-Bestückung in vielen quälenden Warteminuten bezahlten. Dass wir die kurze Schlange wählen konnten, weil ein freundlicher Mitreisender (im Gegensatz zu uns) genug Bargeld dabei hatte und uns aushalf, habe ich natürlich niemals erwähnt.
Dieser Whisky hat, getrieben durch den Sammler-Hype, mittlerweile massiv an Wert gewonnen, und ich stand so ein bischen vor einem Dilemma: sollte ich die Flasche öffnen, oder wäre es doch besser, sie für einen möglichen späteren Verkauf mit Gewinn zurückzuhalten? Eigentlich kaufe ich Whisky, um ihn zu trinken (oder besser: zu genießen), aber wenn der Preis für eine vorhandene Flasche regelrecht explodiert, dann wird man doch etwas nachdenklich. Die Lösung kam in Form einer Flaschenteilung, die in einer beliebten Whiskygruppe bei Facebook angeboten wurde. Ich beteiligte mich und hatte so für einen vertretbaren Preis ein Sample, konnte also den Whisky probieren und die Entscheidung über die Flasche noch etwas verschieben.
Bei dem Lagavulin Feis Ile 2015 handelt es sich um einen 24-jährigen Whisky (destilliert 1991, abgefüllt 2015) der in Fassstärke mit 59,9% seinen Weg in die typischen Lagavulin-Flaschen gefunden hat. Auf dem Etikett steht der Hinweis "Triple Matured", und aus dem Warehousetasting weiß ich, dass unter den drei Fasstypen ein American Oak (für die Basisreifung) und ein Pedro Ximinez (für das Sherry-Finish) waren. Beim mittleren Fass habe ich mir damals nur ein Fragezeichen notiert. Schade, aber nicht kriegsentscheidend.
Colour: M7 (Safran)
Nose: Bei der ersten Nase zuckte meine Frau kurz zurück, ihre Augen weiteten sich leicht, und ihr erstes Wort war: "Kuhstall!" Kein Kompliment für den Whisky? Doch! Der allererste Eindruck hat ja immer etwas mit Assoziationen zu tun, die einem durch den Kopf gehen, und die Verbindung zu den tatsächlichen Gerüchen ist immer sehr persönlich, dafür manchmal recht indirekt. Die ersten Gerüche gingen so in die Richtung feuchtes, modriges Holz, frischer Torf, Salz, Meer und Tang und erinnerten an die Atmosphäre beim Tasting im Warehouse. Damals war die Festivalabfüllung als "Rausschmeißer" natürlich nicht der prägende Whisky des Tastings gewesen, aber als Erinnerungsträger funktioniert er dennoch wunderbar.
Neben salzigen und sherrysüßen Noten (die Zeit und Wärme brauchen, dann aber recht intensiv werden) und ein Bischen Heu finden wir mit Rauch, Holzfeuer und Kaminholz eine weitere Gruppe von Gerüchen, die Erinnerungen auslöst, diesmal an das mit Holz und Leder eingerichtete Tastingzimmer der Destillerie, das wir im September besucht hatten. Beide Aromengruppen vermitteln das Gefühl, als sei man wieder da. Interessant finde ich, dass das mit zwei Erinnerungen gleichzeitig klappt.
Taste: Im Mund ist der Whisky dann zunächst kraftvoll (geradezu bissig), ölig und erdig-süß. Dann wird er mild, man schmeckt Salz, Meer, Tang und Holz (diesmal nicht modrig, sondern frisch). Zum Schluss wartet der ebenso reichhaltige wie ausgewogene Whisky dann nochmal mit einem Schuss spürbarer Schärfe auf ...
Finish: ... bevor er dann in einem sehr langen, trotz Alkohol sanften Finish abklingt.
Wertung:
Mein Fazit: das ist ein Erinnerungswhisky, der wunderbare Momente zurückholt. Egal, was der kostet oder mal kosten wird: der wird selbst getrunken! Die Erinnerungen sind viel mehr wert als das Geld, was man für die Flasche bekommen kann. Ich bin wohl doch ein Genießer, kein Sammler. Und ich fühle mich wohl dabei.
Zur Destillerie gehts hier: Lagavulin