Wieder an Bord der Flying Dutchman stand eine neue Spende auf dem Tisch, diesmal ein The Balvenie 12 yrs Single Barrel mit 47,8%. Das Fass war ein first fill Bourbon Cask, und vor uns stand die Flasche #256 aus dem Fass 3231. Für einen Speyside ist dieser Whisky unerwartet scharf. Zugegeben, er hat schon einen vergleichsweise hohen Alkoholgehalt, aber ich habe auch schon höherprozentige Whiskies mit weniger Schärfe getrunken. Vieleicht liegt es an dem eher geringen Alter, oder an der Kombination aus beidem. Jedenfalls ein Whisky mir "Ecken und Kanten", was aber durchaus seine Reize hat. Geschmacklich war die auffälligste Komponente der Honig, der sie Schärfe ein wenig milderte.
Dass Regen in Schottland zum Alltag gehört, dürfte niemanden überraschen. Ein ganzer Tag lang Regen ist dagegen eher ungewöhnlich. Und dass das ausgerechnet an dem Tag passierte, den wir und irgendwie zwischen Hotel CheckOut (morgens) und Boarding auf der Flying Dutchman (abends) vertreiben mussten, das war schon unglücklich. Nun ja, den Gepäcktransfer haben wir noch im Trockenen hinbekommen, und Oban hat auch nette Cafes, in denen man sich Tee und Scones mit Clotted Cream schmecken lassen kann. Dann noch eine kurze Regenpause zur Besichtigung des örtlichen Kolosseums genutzt und vor dem wiedereinsetzenden "Wasserfall" in das große Selbstbedienungsrestaurant am Fähranleger geflüchtet.
Dort habe ich mir dann die ältere Version des zuletzt beschriebenen Whisky gegönnt, einen Bowmore 18 yrs mit 43%. Wie schon bei dem jüngeren Bowmore erwähnt, kommen die Standardexpressions bei Jim Murray manchmal deutlich besser weg als die älteren Vertreter. Das hier ist so ein Fall. Der 18-jährige bleibt bei knapp unter 80 Punkten. Was ja nun auch kein vernichtendes Urteil ist.
Ich stimme in diesem Fall allerdings nicht mit Jim Murray überein. Mir schmeckt der 18-jährige Bowmore besser als der 12-jährige. Zu einem Stern mehr in der Bewertung hat es zwar nicht gereicht, aber die Relation ist für mich dennoch eindeutig. Was mir diese Diskrepanz jedenfalls deutlich gemacht hat ist, dass man sich nie vollständig auf Literatur und Experten verlassen soll. Letzten Endes zählt der eigene Geschmack - und vor allem der eigene Genuss.
Nose: intensiver Torf, aber auch hier: kein Vergleich mit den Muskelprotzen des Genres.
Taste: Der Torf wird weniger, der Sherry kommt dazu. Viel weicher als der 12-jährige.
Finish: langer, warmer Abgang. Erinnert in seiner Weichheit an Speyside, nur eben mit Islay-Torf.
In der Destillerie hatten wir dieses Meisterstück aus Tobermory schon gekostet. Einen Tag später, jetzt an Bord der Flying Dutchman, stellten wir eine Flasche davon für die Allgemeinheit (was hier heißt: gut 20 reise- und segellustige Whiskyenthusiasten, mit denen wir die nächsten Tage verbringen würden) zur Verfügung. Und es war eine gute Entscheidung, diese Flasche nicht zurück zu halten (immerhin haben wir noch eine in Reserve), denn wir (oder besser: der Whisky) bekam eine Menge Lob. Das macht einfach Spaß, wenn man merkt, dass die eigene Wahl auch anderen gefällt. Mein absoluter Lieblingswhisky ist er übrigens auch geworden.
Kommen wir mal zu den Details: Wie man schon aus dem Namen "Ledaig" schließen kann, handelt es sich um einen getorften Single Malt aus Tobermory. 18 Jahre hat er auf dem Buckel, und 17 davon hat er in einem Bourbon Cask verbracht, bevor er sein Finish für 12 Monate in einem Oloroso-Sherry Fass erhielt. Es handelt sich um eine Single Cask Abfüllung mit 56,3%. Dieser Whisky ist ausschließlich in der Destillerie erhältlich.
Nose: Torf und Sherry-Süße. Der Torf ist zwar vorhanden, aber deutlich zurückgenommen, so dass die Sherrynoten eine Chance haben und das Gesamtbild sehr ausgewogen ist.
Taste: Eher ölig als torfig, sehr typisch für Ledaig. Definitiv nichts von dem Holzfeuer, das einem zum Beispiel aus einem Glas Talisker entgegenlodert. Die Sherrynoten werden von einem leichten Eindruck von Trockenobst (vielleicht Pflaume) ergänzt.
Finish: Mittellang und wie alle Eindrücke zuvor extrem gut ausbalanciert zwischen scharfen und weichen Tönen, zwischen Torf und Sherry.
Der erste Abend an Bord der Flying Dutchman. Zusammen mit gut 20 Whiskyliebhabern auf dem Weg zum Islay Festival. Wer könnte erwarten, dass es da an Bord nicht auch einige gute Tropfen zu genießen gibt? Wir selbst hatten ja den Anfang gemacht und den schon früher beschriebenen Ledaig 18 yrs Single Cask zur Feier des Geburtstages meiner Frau gestiftet. Aber auch andere Gäste waren vorbereitet. Am späteren Abend gesellte sich ein Octomore 06.1 mit 57% dazu, also ein Vertreter der stark getorften Serie aus Bruichladdich. Da freut sich der Genießer und greift zu einem frischen Nosing Glas ...
Ich muss vorweg schicken, dass dies mein erster Octomore war. So viel Torf hatte ich bisher noch nicht gehabt. Und ich muss zugeben, dass ich zu diesem Zeitpunkt nicht so recht wusste, was ich davon halten soll. An so etwas muss man sich offensichtlich langsam herantasten. Natürlich registriere ich den massiven Torf und einen leicht öligen Einschlag. Aber sonst? Weder meine Aufzeichnungen noch meine Erinnerungen geben da viel her. Außer dass ich den Eindruck hatte, hier ist viel für den Effekt und die Show gestaltet worden. Wenn das so ist, dann muss ich sagen: das ist gelungen. Torf, Öl und Phenol sind beeindruckend! Was ich vermisst habe, waren weitere Geschmacksnoten und eine größere Komplexität. Ich bin mit mittlerweile sicher, dass ich mich da mangels Erfahrung einfach von dem Paukenschlag habe überrumpeln lassen, der beim ersten Octomore nun mal unweigerlich kommt. Aber das wird sicher nicht der letzte sein, und dann bin ich vorgewarnt. Und dann gibts auch ausführliche Tasting Notes.