Genussmesse Kronberg 2016

Genussmesse Kronberg 2016

"Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben." Ein alter Spruch, der sich kaum so lange gehalten hätte, wenn da nicht etwas Wahres dran wäre. Dabei muss man oft gar nicht so weit reisen und kann dennoch in eine ganz andere Welt eintauchen ...

Wir waren kürzlich in Kronberg auf der 1. Kronberger Genussmesse. Veranstaltet von Taste-ination, einem kleinen Unternehmen, das von den gleichen Leuten betrieben wird, die auch die schon oft beschriebenen Whiskytastings in unserer Nähe veranstalten. Taste-ination kümmert sich um alle Genüsse, die über die reinen Whiskytastings hinausgehen, wie etwa Reisen, Konzerte oder Barbeque-Kurse in Kombination mit Whisky. Und eben auch die Kronberger Genussmesse. In 2016 erstmalig ausgerichtet, darf man sich - so hoffe ich - schon jetzt auf weitere Ausgaben freuen.

Als wir in Kronberg ankamen, war die Veranstaltung bereits in vollem Gange. Wir hatten ob der bereits vorab gebuchten Tastings und der zusätzlich zu erwartenden Verkostungsgenüsse im Hotel gleich nebenan eingecheckt und uns mit der Anreise etwas Zeit gelassen, denn so blieben wir ja fast zwangsläufig bist zum Schluss. Gleich an der Kasse trafen wir Freunde und Bekannte und wurden sofort in die Welt der Genüsse hineingesogen.

Nun will man ja bei allen zu erwartenden Genüssen nicht gleich mittags mit Alkohol und Spitrituosen anfangen. Deshalb führte unser erster Weg zum großen Kaffeestand auf der Bühne, den ein weiterer Bekannter betrieb. Zu Cappuccino und Latte Macchiato gönnten wir uns ein Stück des selbstgebackenen Kuchens und spendeten im Gegenzug gerne für die Stiftung Bärenherz, die von der gesamten Veranstaltung unterstützt wurde.

Nach dem Kaffee stützten wir uns dann in den Trubel, kosteten Weinbergpfirsich in allen Arten und Formen (einschließlich Senf und Chillisauce!), informierten uns über Craft Beer, fanden (wen wundert's) die Freunde vom Bernsteinzimmer an ihrem Stand - hier kostete ich übrigens die Messeabfüllung mit der eigens dazu komponierten Praline - und landeten am Käsestand. Am Grill (passend zur Mittagszeit) stießen wir dann auf weitere Freunde, die gerade eingetroffen waren ...

Mit rund 40 Ausstellern war die Messe für eine erste Veranstaltung ihrer Art sicher von beachtlicher Größe, aber insgesamt natürlich dennoch so überschaubar, dass man innerhalb von neun Stunden alles mal gesehen haben sollte. Dachten wir jedenfalls. Dass wir zum Messeschluss noch längst nicht alle Stände gesehen hatten, lag zwar zum Teil an den beiden Tastings, von denen noch die Rede sein wird, aber ganz sicher auch daran, dass im Foyer der Stadthalle die "Hall of Spirits" installiert war. Hier fanden sich einige exzellente Stände mit Whisky, Rum und ähnlichen Kostbarkeiten, die teilweise so vielfältig bestückt waren, dass schon die Sichtung des Angebots erheblich Zeit beanspruchte, gar nicht erst zu reden von der Auswahl und dem anschließenden Genuss. Zwei besondere Fundstücke möchte ich separat erwähnen: Am Stand von Anam na h-Alba fand sich eine Einzelfassabfüllung von Springbank "Zeche Zollverein" (58%, distilled 06/1993, bottled 09/2015, 1st Fill Sherry Cask, Flasche 24 von 150), der mit seiner sehr dunklen Farbe (natürlich nicht nachgefärbt!), seinen Sherryaromen und seiner komplexen und massiven Geschmackswelt alle Sinne gefangen nahm (na gut, außer dem Hörsinn vielleicht), und bei Tom Zemann von Whisky in Wiesbaden fanden wir einen Roble Ron Super Añejo (40 Jahre, 40%), der noch dunkler, nur wenig süßer und ebenso komplex war. Allein diese beiden Tropfen wären die Messe wert gewesen. Aber das heißt natürlich nicht, dass all die Ardbeg-, Tobermory- und Glenmorangie-Seltenheiten, auf die wir stießen, die Reise nicht wert gewesen wären.

Das erste Tasting, das wir gebucht hatten, fand bereits kurz nach Mittag statt uns stellte von daher durchaus eine Herausforderung dar. Im Untergeschoss der Halle war ein Tastingraum eingerichtet, wo uns vier Gins und drei Tonic Waters erwarteten. Die Gins:

  • Brecon Special Reserve Gin, Wales

  • The Duke Gin, Deutschland

  • Reel Gin, Schottland

  • Arthur Miller, Westbourne Gin

Als Tonic Waters waren vertreten:

  • Windspiel Tonic Water, Deutschland

  • Epsa Indian Tonic Water, Griechenland

  • John William, Doctor Polidori's Dry Tonic Water, Botanical Infused, Deutschland

Zum Tonic Water von Windspiel gab es dann noch (sozusagen außer Konkurrenz) den passenden Gin zu kosten, eben den Windspiel Gin.

Nun mag ich Tonic Water (und vor allem ihre Bitterkeit) eigentlich gar nicht und hatte mich darauf eingestellt, die Gins nur pur zu kosten. Das Windspiel Tonic Water jedoch ist recht süß und hat kaum Bitternoten, so dass ich es doch einmal versuchte. Ergebnis: es lässt sich trinken. Abgesehen von diesem kleinen Ausflug habe ich die Tonic Waters aber dann doch lieber denjenigen überlassen, die diese Geschmackswelt zu würdigen wissen.

Die Gins hingegen waren dann schon eher nach meinem Geschmack. Mein Favorit war dabei ganz klar der Reel, dessen Geschmacksvielfalt recht leicht und blumig daherkommt. Der Reel Gin stammt übrigens aus einer recht neuen Destillerie auf den Shetland Inseln. Vielleicht darf man ja demnächst auf eine neue "nördlichste Whiskydestillerie Schottlands" gespannt sein ...

Das Tasting war, obwohl deutlich kürzer angesetzt, nach etwa eineinhalb Stunden beendet, was vor allem der Informationsflut zu verdanken war, die das Thema Gin nun einmal hergibt, die der Referent von Barbaras Kochschule aber auch bereitwillig und spannend erzählte. Gut, dass der Raum anschließend nicht sofort wieder belegt war ...

Das zweite Tasting des Tages fand erst am Abend statt und führte uns auf vertrauteren Boden (Whisky), zeigte hier aber eine nicht alltägliche Facette, nämlich die Dekonstruktion eines Whiskies, das heißt seine Zerlegung in seine Einzelkomponenten. Abgesehen von den Einzelfassabfüllungen sind Malt Whiskies in aller Regel aus verschiedenen Komponenten - eben Whiskies aus unterschiedlichen Fässern - zusammengesetzt. Wenn alle verwendeten Fässer aus einer Destillerie stammen, dann ist das Ergebnis dennoch ein "Single Malt" denn genau das ist hierfür Bedingung: alle Einzel-Malts stammen aus derselben Destillerie.

Im Tasting zeigte uns Markus Heinze, Brand Ambassador für Glenfiddich in Deutschland, wie diese Komposition für den Glenfiddich 15 Years Old Unique Solera Reserve aussieht. Das war so spannend, dass ich über die Geschmacksnoten hinaus gerne ein bischen mehr über das bei Glenfiddich eingesetzte Solera-Verfahren erzählen möchte.

  • Glenfiddich New Make, 71,3% - Starke Birnennoten (kommt aus verschiedenen aromatischen Estern, Amylacetat). Wird mit Wasser viel weicher, allgemein fruchtiger, wieder Birne, jetzt auch Banane.

  • Glenfiddich 15yo Refill Wood, 60% - Hier hat der New Make für 15 Jahre in einem Ex-Bourbon-Fass aus amerikanischer Eiche gelegen. In diesem Fall handelte es sich um ein Refill-Fass, bei Glenfiddich bedeutet das, dass die Füllung die dritte nach dem ursprünglichen Bourbon-Whisky ist. Birne und Fruchtigkeit sind noch aus dem New Make zu spüren, es ist aber ganz deutlich Vanille hinzugekommen. Trotz seiner 60% ist dieser Whisky sehr weich.

  • Glenfiddich 15yo New Wood, 56,7% - Manche Fässer werden nach ihren 15 Jahren im Ex-Bourbon-Fass in ein Fass aus ganz neuem Holz umgelagert, in dem also noch gar kein Alkohol gelegen hat. Dieses Finish dauert etwas drei bis sechs Monate. Dieser Whisky hat eine solche Nachbehandlung bekommen (wieder in amerikanischer Eiche), und das hat durchaus Folgen gehabt. Der Whisky ist jetzt würzig und süß in einer sehr angenehmen Mischung. Als geschmackliche Note ist besonders die hinzugekommene Kokosnuss zu nennen, eine typische Note für Whisky aus New Wood. Chemisch handelt es sich beim Verursacher dieser Noten um das sogenannte Whisky-Laktan.

  • Glenfiddich 15yo Sherry Wood, 57,2% - Ein anderer Ansatz, den Whisky zu lagern, ist die Reifung in Fässern aus europäischer Eiche. Das Holz der europäischen Eiche hat andere innere Strukturen, die sich auf die Aufnahmefähigkeit, aber auch auf die Abgabefähigkeit der Vorbelegung auswirken. Letztere kann man zusätzlich durch eine Oberflächenbehandlung der Fassinnenseite steuern. In verschiedenen Intensitätsstufen kommen hier die starke Verkohlung ("charring") oder das mildere "toasting" zum Einsatz. Neben der Eichenart und der Oberflächenbehandlung spielt aber natürlich eine große Rolle, was vorher in dem Fass gelegen hat. Hier ist die Bandbreite bei europäischer Eiche enorm groß: von Süßweinen (Sherry, Port, Madeira) über andere Spirituosen (Rum, Cognac) bis zu roten und weißen Weinen ist hieralles möglich. In diesem Fall hat das Fass zuvor Sherry beherbergt, bevor New Make (auch hier für 15 Jahre) darin gelagert wurde. Im Whisky macht sich das natürlich durch die dunklere Farbe bemerkbar, aber eben auch durch Sherrygeschmack und viele andere fruchtige (Rosinen, Trockenfrüchte) Noten.

  • Glenfiddich 15yo Solera Vat, 59,3% - Mit den bisher beschriebenen Elementen der Fassreifung (amerikanische/europäische Eiche, neues Fass, vorbelegtes Fass, Umlagerung in anderes Fass) kann man nun natürlich stark variieren, und genau das wird auch getan. Besonders beliebt sind Finishes, also die Umlagerung in ein anderes Fass kurz vor Schluss der Reifung. Auch ein zweites Finish in einem dritten Fasstyp ist kommt vor. Mit dem "Solera Reserve" geht Glenfiddich einen anderen, sehr interessanten Weg. In der Destillerie steht ein extrem großes Fass (38000 Liter, vielleicht war das früher ein Washback, in dem die Hefe gärt und den Alkohol erzeugt), in dem die Batches zur Abfüllung in einem Verfahren vermählt werden, das dem Solera-Verfahren spanischer Sherryhersteller ähnelt. Im Fass befinden sich vor dem Vermählungsvorgang ca. 19000 Liter - also die Hälfte des Gesamtvolumens - aus der vorigen Vermähhlung. Dazu kommen nun „frische“ 15-jährige Fässer im Verhältnis 70%/10%/20% der oben beschriebenen Whiskies (Ex-Bourbon, Ex-Bourbon mit New-Wood-Finish und Sherry Wood), bis das Fass wieder voll ist. Nach der Vermählungsphase von wenigen Tagen wird dann die eine Hälfte zur Flaschenabfüllung entnommen, die andere bleibt bis zur nächsten Vermählung (in der Regel nach einigen Monaten) im Fass. So gelangt zum einen auch der älteste Whisky aus der ersten Vermählung - wenn auch in immer geringeren Konzentrationen - in jede abgefüllte Flasche, zum anderen dürften die Batches immer wieder leicht anders schmecken. Zumindest theoretisch. In der Praxis werden die Fässer für die nächste Vermählung mit viel Erfahrung und dem hervorragend geschulten Geruchssinn des Master Blenders so ausgesucht, dass über die Batches hinweg ein möglichst konstantes Endprodukt erzeugt wird. Der Whisky im Glas war ein Abzug aus dem Solera Vat (also dem großen Fass), also dem großen Fass. Hier finden wir alle Elemente der zuvor beschriebenen Einzelkomponenten in einer sehr leckeren Kombination.

  • Glenfiddich 15 Years Old Unique Solera Reserve, 40% - Den Abschluss des Tastings machte dann eben dieses Endprodukt, der auf trinkfähige 40% verdünnte und verkaufsfertig abgefüllte Whisky. Natürlich ist das ein weicher, runder und in vielen Belangen exzellenter Whisky. Aber wenn ich ehrlich bin: die Fassproben und der Abzug aus dem Solera Vat haben mich für das Endprodukt schon ein bischen verdorben. Natürlich ist nicht zu erwarten, dass für den breiten Markt ein Produkt in Fassstärke verkauft wird, aber mir wäre das - spätestens nach diesem Tasting - schon das liebste. Vielleicht wäre eine weniger verdünnte Variante mit 46% oder sogar 48% eine Möglichkeit, das Ergebnis eines sehr spannenden Produktionsprozesses auch Whiskytrinkern zu vermitteln, die mit Standardstärken nicht mehr so viel anfangen können.

Die leisen Zweifel über das Endprodukt sollen natürlich in keiner Weise das Tasting abwerten. Ich habe ein spannendes und unterhaltsames Tasting erlebt, in dem ich viel Neues gelernt habe. Und genau das ist der Grund, warum ich gerne auch in Tastings gehe, deren Thema nicht zu meinem primären "Beuteschema" gehört: die Möglichkeit, das eigene Wissen und den eigenen Geschmack immer weiter zu entwickeln. Und das hat hier hervorragend funktioniert.

Übrigens dauerte auch das zweite Tasting des Tages erheblich länger als vorgesehen, und so gerieten wir anschließend in den bereits begonnenen Abbautrubel der Messe hinein. Aus der Mitnahme einiger leckerer Biersorten, die wir nicht den ganzen Tag über tragen wollten, wurde dann nichts mehr. Aber wir haben natürlich die Kontaktdaten der Brauerei, und so kündigt sich durchaus ein bischen "Nacharbeit" in Form eines Brauereibesuches an. Und die ganzen anderen Stände, wie wir aus Zeitmangel auslassen mussten ...

Zur Veranstaltung gehts hier: Genussmesse Kronberg

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