Speyside 20 yrs für Taste-ination
Ein kurzer Hinweis in eigener Sache vorab: in einer früheren Version des Artikels habe ich geschrieben, der Whisky sei 21 Jahre alt. Das stimmt natürlich nur dann, wenn er im Abfüllungsjahr nicht vor dem Datum abgefüllt wurde, an dem er im Destillationsjahr destilliert wurde. Da das nicht nachweisbar ist, wenn man nur die Jahreszahlen hat, habe ich mal alle Altersangaben auf 20 Jahre reduziert. Was dem Whisky aber nicht den geringsten Abbruch tut.
Als wir uns vor nun etwas mehr als einem Jahr zu einem Tasting "Malt Whisky und Pralinen" bei malt'n'taste anmeldeten, hatten wir noch keine Ahnung, auf was wir uns da einlassen würden und wie sehr diese Anmeldung unser Leben verändern sollte. An diesem Abend zupften wir vorsichtig an ein paar Fäden in einem Wollknäuel (malt'n'taste, Taste-ination, Solvejg Klein von Das Bernsteinzimmer, viele andere Whiskyliebhaber in unserer Umgebung) und hatten uns binnen kürzester Zeit tief darin verstrickt (Islay-Reise, Burns Night, InterWhisky, Whiskyschiff Luzern, Grillkauf, Grillseminar, ...). Vorgestern nun liefen einige dieser Fäden wieder zusammen. Und das kam so:
Michael von malt'n'taste macht ja gemeinsam mit Lars auch Taste-ination, weil es nun mal auch noch andere Genüsse außer Whisky gibt, nämlich Reisen, Musikkonzerte, Grillseminare und viele weitere kulinarische Erlebnisse. Letztere kann man demnächst auf der 1. Kronberger Genussmesse erleben, die ebenfalls von Taste-ination veranstaltet wird. Und für diese Messe gibt es eine spezielle Messeabfüllung, nämlich einen 20 Jahre alten Single Malt Whisky aus der Speyside Distillery, limitiert auf gerade einmal 50 Flaschen. Den durften wir gemeinsam mit Lars und Michael vorab probieren.
Allerdings waren wir nicht die ersten. Michael hatte Solvejg eine Flasche geschickt, und sie ist uns mit den Tasting Notes zuvorgekommen. Und das ist durchaus ein Grund, sich zu freuen, denn auch das Bernsteinzimmer wird in Kronberg ausstellen, und wir werden das Vergnügen haben, eine Schokoladenkreation zu genießen, die passend zur Messeabfüllung komponiert wurde. Wer Solvejgs Fähigkeiten auf diesem Gebiet kennt, der weiß, warum wir uns darauf freuen. Solvejgs Notizen kann man hier nachlesen. Wir haben uns bei unserem Tasting allerdings bewusst nicht davon leiten lassen. Eines der schönsten Details der Whiskywelt ist es nämlich, dass die Wahrnehmungen oft sehr individuell sind und schon mal weit auseinander gehen. Ein paar Grundaromen werden gemeinsamen wahrgenommen, aber darüber hinaus spielen die individuellen Erinnerungen der Mitgenießer eine große Rolle für die Assoziationen.
Die Speyside Destillerie ist übrigens noch gar nicht so alt. Erste Landkäufe und eine dort eröffnete Grain Destillerie gehen auf die 1950er Jahre zurück, der Betrieb der Malt Destillerie wurde erst 1990 aufgenommen. Für unseren 20 Jahre alten Whisky (destilliert 1995, abgefüllt 2016) bedeutet das, dass er durchaus noch zu den frühen Werken der Destillerie zählt.
Der Whisky hat in einem Ex-Bourbon-Fass gelegen und wurde in Fassstärke (54,1%) abgefüllt. Es gibt 50 Flaschen davon, wobei man sich ausrechnen kann, dass das etwa ein Viertel des gesamten Fassinhaltes gewesen sein könnte.
Colour: M6 (Ocker)
Nose: Schon der erste Eindruck in der Nase ist kraftvoll, geradezu kribbelnd. Der Alkohol hat eine deutliche Präsenz, die mit zunehmender Handwärme weniger wird, dahinter drängen aber schnell Früchte nach vorne, insbesondere reife Birne. Holz und Vanille gehören natürlich ebenfalls zu einem Ex-Bourbon-Malt. Das Holz macht in diesem Fall einen frischen und feuchten Eindruck, so als ob man nach einem Regen an einem Holzstapel im Wald vorbei geht. Den klassischen Anklang an ein Sägewerk finden wir hier nicht. Schließlich haben wir noch viel Karamell und ein Bischen Milchschokolade gefunden. Ob auch irgendein klassisches Dessert dabei war? Wir waren uns nicht einig. Crème brûlée? Tiramisu? Gar keines? Die Frage muss offen bleiben.
Taste: Auch auf der Zunge ist der Antritt kraftvoll. Wieder finden wir Alkohol, Birne und Holz. Die Holznoten machen jetzt einen trockenen Eindruck, ein Hinweis auf das Alter des Whiskys. Vielleicht hat sich noch die eine oder andere Rosine in den Mund verlaufen. Und auch hier wieder die Nachspeisendiskussion. "Vanille-Pudding-Keks-Bisquit" war noch am ehesten der gemeinsame Nenner. Wenn es so etwas überhaupt gibt …
Wasser: Bei 54,1% kann man durchaus ein wenig mit Wasser experimentieren. Wir haben es getan, und die Wirkung war beeindruckend. Mit ein paar Tropfen explodiert der Speyside geradezu im Mund. Zum einen werden die Geschmacksnoten intensiver, zum anderen breitet sich der Whisky schnell und kraftvoll im ganzen Mundraum aus, erreicht auch (diesmal von innen) die Nase. Außerdem bekommt er ein wenig pfeffrige Schärfe, die bis in den Abgang bleibt.
Finish: Der Abgang wurde recht unterschiedlich wahrgenommen: von nicht vorhanden ("der bleibt bei mir nur im Mund") bis lang und warm ("der läuft bis tief hinunter und legt sich auf alles") war alles dabei. Meine Empfindung war so im Mittelfeld: recht lang und warm, aber nicht mit diesem Gefühl der Belegung.
Wertung:
Der Speyside kann seine Herkunft aus dem Bourbon-Fass nicht verleugnen - und das versucht er auch gar nicht. Nun bin ich kein ausgesprochener Fan von Whiskies aus reiner Ex-Bourbon-Lagerung, deshalb bleibt dem Speyside die alleroberste Spitze meiner persönlichen Skala verwehrt. Aber ich kann sehen, riechen, schmecken und vor allem anerkennen, wenn ich einen hervorragenden Whisky im Glas habe. Und das ist hier ganz sicher der Fall. Wer weiß, was passiert wäre, wenn ich diesen Whisky schon früher getrunken hätte. Vielleicht würde ich heute Ex-Bourbon-Whiskies den Rauch- oder Sherry-Vertretern vorziehen. Die nötigen Aha-Effekte kann der Taste-ination-Whisky durchaus verursachen.
Zur Destillerie gehts hier: Speyside