Glenmorangie Tasting beim Whiskyschiff Luzern 2016
Beim Whiskyschiff in Luzern hatten wir mit großer Begeisterung das Ardbeg-Tasting genossen, und als wir mitbekamen, dass Karen Fullerton nach einer kurzen Pause auch die zweite Destillerie vorstellen würde, für die sie Global Brand Ambassador ist, da war die Entscheidung, zwei noch verfügbare Tickets zu kaufen, schnell gefallen, zumal meine Frau die Whiskies von Glenmorangie sehr schätzt. Und auch ich, dessen "Jagdrevier" normalerweise weiter westlich auf den Inseln liegt, muss zugeben, dass diese Highlander durchaus etwas anziehendes haben. (Was heißt hier "muss"? Das tue ich natürlich gerne. Schmeckt ja schließlich ...)
Das Tasting begann mit einer Vorstellung der Destillerie, einschließlich des Fassmanagements. Dazu habe ich mir aber keine besonderen Notizen gemacht, deshalb habe ich die Einzelheiten schon wieder vergessen. Ich werde wohl nochmal ein Glenmorangie-Tasting machen müssen (sehr gerne wieder bei Karen). Oder ich schaue mir das gleich in der Destillerie an ...
Besonders interessant fand ich die Informationen zur Geologie der Quellen (den Tarlogie Springs), aus denen Glenmorangie sein Wasser bezieht. Letztlich sickert Regenwasser über einen Zeitraum bis zu 100 Jahren durch porösen Kalk- und Sandstein und nimmt dabei Mineralien in sich auf, die sich auf die Eigenschaften des Whiskys auswirken. Unten in der Gallerie ist ein Foto der Folie, die den Weg des Wassers illustriert. Sicherlich kann man jetzt Fragen stellen: Wie hat man eigentlich die 100 Jahre gemessen? Ist kalkhaltiges Wasser nicht eher von Nachteil für den Whisky? Verkalken Brennblasen eigentlich im Laufe der Zeit? Wer die Whiskies der Destillerie kostet (und genau das haben wir als nächstes getan), für den rücken diese Fragen aber erstmal in den Hintergrund.
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New Make, 69,5% - Wie schon das Ardbeg-Tasting, so begannen wir auch hier mit einem frischen Destillat. Ich finde die Gelegenheiten, diese reine Vorstufe des Whisky zu probieren, immer besonders reizvoll. Man sagt, dass weit über die Hälfte (70%? 80%? Mein Zahlengedächtnis ...) des Geschmackes aus dem Fass stammen. Da interessiert es mich natürlich sofort, wie denn die restlichen Anteile schmecken, die aus Destillation (insbesondere aus der Form der Brennblase, aber auch aus Verarbeitungszeiten und Temperaturen während der Keimung und Gärung der Gerste) und Ausgangsstoffen (Gerste/Malz und Wasser) stammen. Als gemeinsame Eigenschaft verschiedener New Makes, die ich bisher probieren konnte (Ardbeg, Laphroaig, Wolfburn) hatte ich immer intensive Fruchtaromen wahrgenommen, und das zeigte sich auch hier, diesmal in Form deutlicher Apfelgerüche. Natürlich hatte er auch viel alkoholische Schärfe, aber ansonsten (wenn man den Alkohol denn ausblenden konnte) war er sehr weich.
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Glenmorangie 1st fill, 61,1% - Fassprobe. Das ist einer der Whiskies, die Bestandteil des Glenmorangie Original sind.
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Glenmorangie 2nd fill, 61,1% - Fassprobe. Und noch eine Komponente des Glenmorangie Original. In beiden Fassproben waren schon deutlich die weichen, reichen Geschmacksnoten (wie übersetzt man eigentlich "rich taste" wirklich?) zu finden, die später den fertigen Glenmorangie ausmachen. Wenn man die beiden Proben zusammengießt und dann noch etwa ein Drittel Wasser hinzufügt, dann kommt man ungefähr zum fertigen Glenmorangie Original. Das hat bei mir leider nicht geklappt. Die Wassergefässe gossen nicht sehr genau, und so hatte ich deutlich zu viel Wasser im Glas. Sehr schade.
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Tùsail, 46% - Weiter ging es mit einem Whisky, den man zwar theoretisch kaufen kann, der aber auch schon in vielen Shops ausverkauft oder zumindest limitiert ist. Der Tùsail hat keine Altersangabe, aber wir erfuhren, dass man ihn in etwa bei 11,5 Jahren ansiedeln kann. Die verwendete Gerste wurde 2002 geerntet, der fertige Whisky wurde 2014 abgefüllt. Wenn man Verarbeitungs-, Produktions-, Rüst- und Transportzeiten abzieht, dann kommt man so ungefähr auf dieses Alter.
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Milsean, 46% - Das ist der neueste Stern am Glenmorangie Himmel. Die verwendeten Komponenten sind ca. 14 Jahre alt (mit einer gewissen Streuung natürlich, aber keine Komponente ist jünger als 10 Jahre). Der Name ist ein gälisches Wort und bedeutet soviel wie "sweet things" also Süßigkeiten. Genau das war es auch, was der Master Blender im Hinterkopf hatte, als er diesen Whisky komponiert hat. Einige Inspirationen, die dann vielleicht eher beim Design der Schachtel Pate gestanden haben dürften, sind auf einer der Folien unten in der Gallerie zu sehen. Zum Milsean hatte Karen süße Geleefrüchte besorgt. Und auch wenn diese Kombination zuerst sehr ungewohnt ist, kann ich doch nicht bestreiten, dass Whisky und Sweet Candy durchaus zusammen passen. (Und das ist keinesfalls abwertend gegenüber dem Whisky gemeint!)
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Quinta Ruban, 46% - Zu diesem Whisky gab es zur Abwechslung mal keine "Geheimnisse" zu erfahren. Dass er 12Jahre alt ist, steht schon auf der Flasche in meinem Regal, und auch, dass er ein Finish in Port-Fässern bekommen hat. Ich hatte hier auch schonmal was zu ihm geschrieben. Das habe ich mir gerade nochmal durchgelesen und finde immer noch, dass es passt: zu meiner Erinnerung und zu dem, was ich mittlerweile zusätzlich über die Destillerie und ihre Whiskies gelernt habe.
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Signet, 46% - Auch wenn es sich hier um einen "ganz normal" zu kaufenden Glenmorangie handelt, der auch ein "ongoing release" ist, ist der Signet schon etwas Besonderes. Auf den gängigen Marketingfotos sieht er (in der Flasche) deutlich dunkler aus, als er im Glas dann später ist. Auf dem Foto vom Tastingsheet oben steht er oben links. Zum Vergleich: Der zweite von links in der unteren Reihe ist der Quinta Ruban. Aber der Geschmack hat viele "dunkle" Komponenten, wie dunkle Schokolade, Kakao und dunklen Früchte. Die (fotografierte) Farbe passt also durchaus ins Bild - das Auge trinkt ja bekanntlich mit. Passend dazu gab es zum Signet eine Kugel aus dunkler Schokolade. Und noch ein weiteres dunkles Element spielt eine Rolle. Das Malz für diesen Whisky (zumindest ein Teil davon) wurde stark geröstet, so dass es auf den ersten Blick fast wie Kellogg's Choco Krispies aussieht. Das letzte Foto on der Gallerie unten zeigt verschiedene Malzsorten. Die mittlere (welche auch sonst?) ist die für den Signet verwendete. "Geheimnis" am Rande: der Signet enthält z.T. sehr alten Glenmorangie (destilliert 1976). Das wird nicht sehr viel sein (sonst wäre er noch weniger bezahlbar), und es reicht auch nicht, um dieses kaum zu beschreibende Gefühl zu erzeugen, das man auf der Zunge hat, wenn man so alte Whiskies pur trinkt, aber es macht ein gutes Gefühl. Und das gehört ja ganz erheblich zum Whiskygenuss dazu. Übrigens sprach Karen den Signet so aus wie das englische Wort "signed", also nicht etwa in französischer Aussprache. Da sie Global Brand Ambassador ist, nehme ich an, dass sie weiß, wovon (und wie) sie spricht.
- Young Elanta - Der Abschlusswhisky hieß nicht wirklich so, aber es handelte sich tatsächlich um eine Art jüngere Version des Elanta. Letzterer war 18-19 Jahre alt (1993-2012), in amerikanischer Eiche gereift und hatte 46%. Im Jim Murray's Whisky Bible wird er mit 97,5 Punkten bewertet, und das kann nun wirklich nicht jeder Whisky von sich behaupten. Für uns gab es einen ähnlich ausgebauten - wenn man das bei Whisky so sagen darf - aber deutlich jüngeren Whisky in Fassstärke. Das genaue Alter habe ich mir nicht notiert (ich glaube, es wurde nicht genannt), und auch meine restlichen Notizen zu diesem Whisky sind sehr dünn. Ich war zu diesem Zeitpunkt wohl schon vom Reporter- in den Genießermodus gewechselt. Ich weiß aber noch, das der Genießermodus hervorragend zum letzten Whisky passte.
Eine kurze Anekdote zum Schluss, die die Frage klärt, wie "Glenmorangie" dann nun korrekt ausgesprochen wird. Karen erzählte von einer Begebenheit in London, bei der der Distillery Manager in einer (Hotel?)bar einen GlenmOrangie bestellte (Betonung auf dem "O") und von hilfsbereiten Gentlemen am Nachbartisch korrigiert wurde, es heiße "GlenmorAngie" (Betonung auf dem "A"). Es entspann sich eine angeregte Diskussion um die korrekte Aussprache, aber erst bei der Verabschiedung hinterließ der Distillery Manager seine Visitenkarte, auf der - natürlich - auch seine Position stand. Die Gesichter der hilfsbereiten Gentlemen sind nicht überliefert, wären aber sicherlich sehenswert gewesen.
Und mein Fazit? Trotz des exzellenten Tastings bleibt mein (Whisky-)Herz im Westen Schottlands. Aber Glenmorangie hat einigen Boden gutgemacht, und das lag durchaus nicht nur an dem beeindruckenden Vortrag, sondern ganz klar auch an den Whiskies. Die vielleicht wichtigste Erkenntnis ist also vielleicht, dass man nicht zu sehr auf seine eingefahrene Meinung hören sollte, sondern immer offen bleiben soll für neue Erfahrungen.
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