Kavalan Tasting beim Whiskyschiff Luzern 2016
Kavalan ist ein Name, der auch dem erfahrenen Single-Malt-Kenner nicht so leicht von der Zunge geht - wenn er sich auf die Destillerien Schottlands konzentriert hat. Die Kavalan-Whiskies kommen vom anderen Ende der Welt, aus Taiwan, und vieles an ihnen ist anders. Wie anders, das konnten wir beim Whiskyschiff in Luzern in einem Tasting klären. Wir hatten die Whiskies am Stand der Telser Destillerie gesehen (und gekostet), und das Ergebnis (sowie das clever plazierte Angebot der jungen Dame, die uns die Proben ausgeschenkt hatte ) führten uns am nächsten Tag zum Tasting, das auf einem separaten Seminarschiff ein paar Anlegestege weiter stattfand.
Das Tasting wurde geleitet von dem aus Vorarlberg stammenden internationalen Spirituosenexperten Arthur Nägele, der unter anderem als Spirits Brand Ambassador der IWSC für Österreich, die Schweiz und Liechtenstein zuständig ist.
Die Destillerie Kavalan liegt im Landkreis Yilan im Nordosten von Taiwan und ist nicht zuletzt der erfüllte Lebenstraum des Besitzers, der 2005 seinem riesigen Mischkonzern King Car auch eine Whiskydestillerie hinzugefügt hat. In Taiwan ist das Klima erheblich wärmer als in Schottland. Von daher verwundert es nicht, dass die Destillerie inmitten von Palmen steht. (Wer sich dort einmal umschauen möchte: Google Streetview poppup:yes ist bis auf das Destilleriegelände vorhanden.)
Kavalan ist zwar nicht die einzige Destillerie, vor der Palmen wachsen (wer das nicht glaubt, der schaue sich einmal Jura an), aber mit den Temperaturen in Taiwan kann Schottland dann doch nicht mithalten. Es wird häufig gesagt, dass die hohen Temperaturen für die schnellere Reifung der dortigen Whiskies verantwortlich seien. Da ist auch viel Wahres dran. Im großen Warehouse, das fünfstöckig (und in jedem Stockwerk etwa drei bis vier Ebenen hoch mit stehend gelagerten Fässern belegt ist) in die Höhe gebaut ist, herrschen für ein Whiskylager enorme Temperaturen zwischen 27°C (Erdgeschoss) und 42°C (ganz oben). Dass dabei der Angel's Share auch nicht ganz klein ist, kann man sich wohl denken. Im Extremfall können pro Jahr bis zu 18% des Whiskys verdunsten.
Es gibt aber noch einen anderen Faktor, der seinen Teil zu der schnellen Reifung beiträgt. In Kavalan wird (zumindest zum Teil) in Kolonnen destilliert, nicht im klassischen Pot-Still-Verfahren. Destillationskolonnen haben im Steigraum des Destillats Zwischenböden (hier drei bis fünf Böden, in industriellen Destillationskolonnen sind auch 50 Böden keine Seltenheit) mit vielen Löchern eingebaut. Jedes Loch mündet in einen aufwärts führenden Kanal, der wiederum mit einer pilzkopfartigen, gekühlten Kappe abgedeckt ist. Das Destillat kondensiert an der Unterseite der Kappe, tropft seitlich neben dem Kanal auf die Oberseite des Zwischenbodens, verdampft dort erneut und macht sich auf den Weg zum nächsten Zwischenboden. Mit dieser Methode lassen sich signifikant höhere Konzentrationen an leichteren Alkoholen erzeugen als im Pot Still. Und dieses Gemisch reift dann im Fass erheblich schneller. Die leichteren Alkohole verdunsten aber auch leichter, also trägt diese Destillationsform auch zum hohen Anteil des Angel's Share bei.
Und wie schmecken diese „Sonderlinge“ nun? Schauen wir mal auf die Verkostungsliste:
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Single Malt, 40% - Den Anfang machte ein ganz klassischer Single Malt. Für diesen Whisky werden Fässer aus neuem Holz und gebrauchte Weinfässer verwendet (mehr Neuholz als Wein, wenn man nach dem Geschmack gehen darf), und der whisky hat darin etwa 3,5 Jahre zugebracht. Herausgekommen ist ein Tropfen, der recht nah an klassischen Single Malts aus Ex-Bourbon-Fässern herankommt, man findet in der Nase viele Vanille- und Honignoten. Allerdings ist er auch recht fruchtig.
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Podium, 46% - Auch der Podium orientiert sich eher an klassischen Tropfen. Er wird zum Teil in neuen Eichenfässern, zum Teil in Ex-Bourbon-Fässern gelagert. von der Fassphilosophie her liegt er damit noch ein Stück näher am klassischen Single Malt als der erste, und die Vanillenoten scheinen das zu bestätigen. Leichte Kokosnoten sprechen aber eine andere Sprache, und auch der Alkoholgehalt ist deutlich moderner. Der Podium ist unter allen Kavalans, die ich probiert habe derjenige, bei dem am ehesten eine destilleriespezifische Note zu finden ist.
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Solist "Ex-Bourbon", 59,4% - Kavalan orientiert sich bei der Komposition des Gesamtsortiments ein wenig an der Rollenverteilung in einem Orchester. Neben den klassischen Instrumenten (zu denen die beiden ersten Whiskies gehören) gibt es "Concertmaster" Abfüllungen der gehobenen Klasse (die waren im Tasting nicht vertreten) und Solisten. Diese heißen tatschlich "Solist" und sind (nicht verwunderlich) Einzelfassabfüllungen. Der erste dieser Gruppe ist wiederum eine klassische Variante, nämlich aus einem Ex-Bourbon-Fass. Er hat eine sehr "frische Nase" (na, die Nase habe schon noch ich, aber die frischen Noten kommen vom Whisky) mit süßen Noten von Ananas und Vanille, auf der Zunge sind Karamell, Kokos und wiederum Vanille zu finden.
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Solist "Vinho", 58,6% - Jetzt verlassen wir die klassischen Pfade. Der Vinho, wiederum eine Single Cask Abfüllung, stammt aus einem portugiesischen Weinfass, und zwar eine Mischung aus Weißwein und Rotwein. Wie das geht bei einem Einzelfass? Nun, die Fässer werden ja ohnehin zerlegt geliefert. Man hat einfach Dauben beider Fasstypen - übrigens Barriquefässer - gemischt (und zwar wirklich immer schön abwechselnd) zusammengebaut. Dementsprechend hat der Whisky auch klassische Weinnoten wie Säure und dunkle Früchte, aber auch wieder Honig, ein wenig Vanille und Pflaume. Technisches Detail am Rande: Wein dringt erheblich weniger in das Fassholz ein als andere "Vorbewohner" wie Sherry, Portwein, Rum oder Bourbon. Weinfässer werden deshalb nicht abgeschliffen, weil man dadurch den Einfluss des Weines verlieren würde.
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Solist "Sherry", 57,8% - Weiter geht es mit einem Solisten aus einem Sherryfass, genauer gesagt aus einem Oloroso-Sherryfass. Also doch wieder ein Klassiker? Auf dem Papier schon, schließlich sind Olorosofässer auch in Schottland weit verbreitet. Aber dieser hier hat schon eine ganze Menge Sherry abbekommen und schmeckt sehr intensiv danach. Man denkt unwillkürlich an den Aberlour A'bunadh. Im Tasting fiel der Begriff "Sherry on Speed", ich habe nur leider nicht mitbekommen, ob das eine Eigenkreation des Tastingmoderators war oder ob der Begriff aus dem (natürlich inoffiziellen) Destillerieumfeld stammt.
- Distillery Reserve, 53% - Zum Abschluss gab es noch eine Besonderheit, selbst unter den besonderen Whiskies von Kavalan. In Kavalan arbeitet man nicht mit Torf, schon deshalb, weil es in Taiwan keinen Torf gibt. OK, den könnte man schon einführen, das macht man mit den Fässern ja auch, und beim Torf herrscht auch bei weitem keine so drängende Knappheit wie bei (guten) Fässern. Aber so weit wollte man dann bei Kavalan wohl doch nicht gehen. Nun gibt es aber doch einen torfigen Kavalan, derzeit als "Distillery Reserve" ausschließlich für den taiwanesischen Markt (davon hatte Arthur Nägele ganze 18 Flaschen für die gesamte Schweiz bei der Destillerie losgeeist, und die kamen auch erst kurz vor dem Tasting an), demnächst aber unter der Bezeichnung "Peaty Cask" auch anderswo. Der Name deutet schon an, woher der Whisky sein Torfaroma hat. Er wurde nämlich in einem Fass gelagert, in dem vorher getorfter Whisky gelegen hat, und zwar von Islay. Um welche Destillerie es sich gehandelt hat, ist (öffentlich) nicht bekannt, und es war auch aus dem Whiskygeschmack nicht herauszubekommen. Immerhin war der Torf deutlich zu schmecken, und auch salzige Noten waren da. Ansonsten war er Whisky ein klassischer Kavalan und kam dem Podium recht nahe.
Und das Fazit? Das Tasting war schon sehr gut. Arthur Nägele hat einen reichen Wissensschatz über Whisky im Allgemeinen und Kavalan im Besonderen, er lässt die Teilnehmer gerne an diesem Wissen teilhaben, und er schafft es auch, das Wissen und die Begeisterung für sein Thema farbig und unterhaltsam zu vermitteln. Die Whiskies von Kavalan allerdings schaffen den Weg in meine persönliche Hall of Fame vorerst nicht. Das liegt zwar ganz und gar nicht an den Geschmacksnoten oder gar der Qualität der Whiskies. Die reihen sich eigentlich nahtlos zwischen ihren schottischen Cousins ein. Aber genau das ist der Punkt: sie sind nicht besser. Ich finde dabei nichts Interessantes, was ich nicht auch in Schottland fände. Und dann hat Schottland einen klaren "Romantikvorsprung". Wenn schon nichts anderes, dann macht das Bild eines alten Gebäudes mit verwitterten Pagoden, gelegen in einem grünen Tal oder an der rauhen See, das ich beim Trinken im Kopf habe, den für mich entscheidenden Unterschied. Die Reisen nach Islay, demnächst nach Glengoyne oder (noch in der "muss-ich-unbedingt-mal-hin"-Kategorie) in die Highlands oder die Speyside: das macht für mich mitentscheidend die Begeisterung für Whisky aus.
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