Handwerkszeug: Gläser
Wenn ich einen Whisky genieße, dann habe ich in vorher - nicht verwunderlich - in einem Glas. Dass es sich dabei nicht um einen Tumbler (die breite, eimerförmige Glasform, in der außer dem Whisky auch noch ein paar Eiswürfel Platz haben, die ich sowieso nicht in meinem Whisky haben möchte) handelt, brauche ich einem Whiskyliebhaber nicht zu erklären. Vielmehr kommt ein Nosing Glas zum Einsatz, das am oberen Rand enger wird und die Aromen damit konzentriert und gerichtet in Richtung der Nase entlässt. Nun ist aber mit der Bezeichnung "Nosing Glas" noch nicht wirklich viel gesagt. Allein in diesem Sektor ist die Artenvielfalt erstaunlich groß. An dieser Stelle möchte ich meine Favoriten vorstellen.
Der Klassiker: Glencairn
Dieses Glas ist mein Lieblingsglas. Das ist sicher nicht ganz ungewöhnlich, und mit diesem Geschmack (diesmal ist das Glas gemeint, nicht der Inhalt) stehe ich ja nun weiß Gott nicht alleine da. Aber die Argumente sprechen ja auch für sich: das Glas liegt angenehm in der Hand, und der massive Fuß gibt dem Glas nicht nur eine angenehme Schwere und Gewichtsverteilung, sondern funktioniert außerdem als eine Art Griff. In meinem Kopf wird jedenfalls jedes Sofa zum ledernen Ohrensessel (einschließlich Kaminfeuer), wenn ich einen guten Whisky im Glencairn-Glas schwenke. Außerdem ist dieses Glas so entworfen, dass er das ideale Verhältnis aus Whisky und Luft enthält, sowie die perfekte Größe der Whiskyoberfläche und Austrittsöffnung für die Aromen hat. Jedenfalls, wenn man den Geschichten Glauben schenken kann, nach denen verschiedene Master Blender daran mitgewirkt haben.
Nebenbei bewirkt der robuste Aufbau, dass das Glas auch gröbere Behandlung (Umfallen in der heimischen Spülmaschine ebenso wie kommerziellen Barbetrieb) sehr weitgehend unbeschadet übersteht.
Wie dem auch sei: mein Favorit ist es. Und auch in weiten Teilen der Whiskywelt hat es sich als Standard durchgesetzt.
Das Kleine: Shot
Dieses Glas sieht fast aus wie die Miniaturausgabe eines Glencairn. Dass es das nicht ist, erkennt man, wenn man mal tatsächlich ein Mini-Glencairn daneben hält. (Die sind aber ziemlich selten. Wir haben mal bei einem Warehousetasting bei Lagavulin welche bekommen.) Dieses hier ist zwar gestaucht, aber einige Maße (Inhalt, Größe des Auslasses) entsprechen fast dem Original-Clencairn, was ja aus Tasting-Gesichtspunkten durchaus sinnvoll ist. Außerdem ist es durch die Stauchung nochmal deutlich robuster als das Glencairn. Es wird gerne von Destillerien für die Besichtigungstouren eingesetzt, bei denen ja auch in der Regel der eine oder andere Dram ausgeschenkt wird. Neben der sehr nützlichen Stabilität ist es ein preiswertes Giveaway, das oft im Preis der Tour enthalten ist.
Das Langstielige: Rastal
Diese Glasform kommt der ganz klassischen Form des Bugatti-Kelches recht nahe. Es ist hochstielig und hat einen etwas kleineren Inhalt als das Glencairn. Im Vergleich zum Bugatti-Kelch hat es jedoch keine geschwungenen Wände, die Zusammenführung im Kopf des Stiels geschieht durch einen modern gestylten Knick. Wie man am Glasaufdruck sieht, nutzt die Interwhisky diese Glasform für ihre Messe.
Optisch mag ich diese Glas sehr, und auch die das Anfassen am Stiel gefällt mir. Im Vergleich zum Glencairn hat es aber weniger Innenraum. Für meinen Geschmack (der selbstverständlich nur mein persönlicher Geschmack ist) kommen darin die Aromen des Whiskies weniger zur Geltung als ich mir wünschen würde. Natürlich kann man mit der Kelchgröße und der damit einhergehenden Variierung der Aromenintensität spielen, wenn man den Aromateil des Gesamtgenusses ein wenig regulieren will.
Noch ein Kleines: Arran
Auf unserer Islay-Reise auf der Flying Dutchman hatte einer unserer Mitreisenden dieses Glas dabei und nahm es immer mit, wenn wir von Bord gingen und eine Whiskyverkostung zu erwarten war. Es ist ein bischen breiter und kürzer als das Glencairn, hat aber für die Entfaltung der Whiskyaromen noch durchaus akzeptable Proportionen. Durch den fehlenden Fuß ist es auch recht leicht und eignet sich gut als Reiseglas: wenig Gewicht, wenig Platzbedarf, aber eine gute Stabilität, zum Beispiel für den Transport im Koffer.
Ich fand die Idee damals recht gut und habe mir zwei dieser Gläser im Set mit einer Flasche Arran gekauft. Der Whisky hat zwar nicht ganz gehalten, was ich mir davon versprochen habe, und die Rolle als Reisegläser haben mittlerweile die weiter oben beschriebenen "Shot"-Gläser übernommen (ein bischen schwerer, aber noch stabiler), aber bereuen tue ich den Kauf dennoch nicht. In der Vielfalt liegt schließlich ein Reiz des Hobbies, und das bezieht sich eben auch auf die Gläser.
Das Kurzstielige: Malt'n'Taste
Das kurzstielige Kelchglas fällt in die gleiche Klasse wie der Bugatti-Kelch und das weiter oben beschriebene Rastal-Glas. Nur der Stiel ist ein wenig kürzer und der Kelch ein kleines bischen kleiner. Damit ist es ein wenig bruchsicherer, wenn es mal etwas höher hergeht. Whiskyfreunde sind zwar in aller Regel ruhige und gesitttete Menschen, aber auch bei ihnen steigt die Stimmung mit fortschreitendem Abend schon mal spürbar. Der Stiel lässt sich nicht ganz so elegant greifen wie bei den längerstieligen, aber das Glas stellt einen guten Kompromiss dar. Und der Genuss wird ja ohnehin hauptsächlich durch den Inhalt bestimmt.
Natürlich ist das nur eine kleine Auswahl der Gläser, aus denen man Whisky genießen kann. Es gibt noch zahlreiche Varianten, und außer dass alle irgendwie die grundsätzliche Form eines sich nach oben verjüngenden Kelches haben, sind der Formenvielfalt fast keine Grenzen gesetzt - ebenso wie den Geschmäckern der Whiskygenießer. Wenn ich einen Rat bezüglich des "besten" Glases geben sollte, dann könnte ich nur sagen: Das beste Whiskyglas ist das, das Dir am besten gefällt. Probiere und entscheide für Dich.