Oban Distillers Edition
Oban ist ein an deutschen Infrastrukturverhältnissen gemessen kleines (wenige Tausend Einwohner) und beschauliches Städtchen an der schottischen Westküste. Wir waren im Mai 2015 für zwei Nächte dort, und eigentlich hatten wir nach dem wir-schauen-uns-mal-um-Rundgang schon das meiste gesehen. Kleiner Hafen, ein paar Sträßchen, ein bischen Hinterland und ein paar Supermärkte (darunter Aldi und Lidl, man fühlte sich fast wie zu Hause), aber das war es auch schon.
Fast.
Denn auf dem Hügel über der Stadt thront ein Kolosseum! Ein einheimischer Industrieller wollte (Anfang des 20. Jahrhunderts, glaube ich) zum einen sich seinen Lebenstraum erfüllen, zum anderen etwas für die Einkommenslage der damals oft arbeitslosen Bevölkerung tun. Wer für letzteres viel Ged investiert, dem ist ersteres gerne zu gönnen. Leider wurde nur der Äußere Mauerring fertiggestellt, in dem sich heute Parkanlagen befinden. Dann starb der Sponsor, und seine Erben hatten besseres (naja, anderes) mit dem Geld vor. Schade.
Und dann gibt es da noch die Destillerie, mitten in der Stadt gelegen und mit einem Schornstein ausgestattet, der fast bis zum Fuß des Kolosseum reicht. Wir hatten bei unserem Besuch eigentlich vor, uns dieses Schmuckstück des Städtchens anzusehen, aber genau in unserem Zeitfenster (bis zur Abfahrt unseres Segelschiffes) wurde ein Tenderboot voller Kreuzfahrttouristen nach dem anderem von der Queen Mary 2, die draußen vor der Bucht lag, in den Hafen und durch die Destillerie geschleust. Naja, man soll sich ja immer noch einen Grund übrig lassen, zurück zu kommen. Den haben wir jedenfalls.
Jetzt, gegen Ende des Jahres, liefern die Destillerien des Diageo-Konzerns, zu denen auch Oban gehört, ihre jährlichen Destillers Editions aus. Und die aus Oban hörte sich doch recht verlockend an. Zwar nur 5 Jahre alt, aber mit viel Sherrygeschmack und -süße sollte er daherkommen. Die Farbe passt durchaus zu dieser Beschreibung, allerdings steht im Kleingedruckten auf der Flasche, dass man hier mit Zuckerkulör nachgeholfen hat. Nun ja, das Auge trinkt mit, die Zuckerkulör ist geschmacksneutral, und zu den Puristen, die sich deshalb den Genuss entgehen lassen, gehöre ich nicht. Der Whisky ist mit massentauglichen 43% abgefüllt und wurde 2010 destilliert. Mehr technische Informationen gibt das Etikett nicht her.
Aber ist der Whisky nun auch ein Genuss? Das enthüllt nur ein Schluck im Nosingglas:
Colour: Kupfer (M8)
Nose: Das erste, was mir auffällt, ist der recht starke ätherische Geruch nach Alkohol. Das hatte ich bei 43% nicht erwartet. Der Whisky macht dadurch einen kraftvollen Eindruck. Dahinter kommen Zitrusfrüchte, Rosinen und ein bischen Harz (glaube ich) zum Vorschein, außerdem Hefe, Gras und Heu. Und natürlich Sherry. Allerdings nicht ganz so süß wie man das sonst so kennt, eher wie ein aromatischer Rum. Vielleicht liegt das an der Kombination mit der Intensität des Alkohols. Interessant und angenehm.
Taste: Auf der Zunge ist der Whisky erstmal leicht, weich und süß. Der Alkohol ist auch hier zu schmecken, aber nicht so intensiv wie in der Nase. Die Zitrusfrüchte und den Sherry kennen wir ebenfalls schon aus der Nase, neu sind Äpfel, Holz und - gegen Ende - ein Anflug von Pfeffer.
Finish: Das Finish ist kurz und unspektakulär.
Der Oban ist sicherlich kein Stern am Whiskyhimmel. Kräftig, nicht wirklich komplex, aber schön ausgeglichen. Zusammen mit der Sherrysüße wird daraus ein Whisky, der mir den Feierabend nach einem stressigen Arbeitstag versüßt.
Wertung:
Zur Destillerie gehts hier: Oban