Tasting: Die letzten Tropfen (malt'n'taste)

Die letzten Tropfen

Wenn man sich eine Landkarte der schottischen Destillerien anschaut, dann ist diese Karte zu nicht unerheblichen Teien mit Markierungen bedeckt. Stand August 2015 meldet Wikipedia 108 aktive Destillerien. Mehrere Hundert weitere sind längst Geschichte.

Unter den geschlossenen Destillerien kann man mehrere Gruppen unterscheiden. Da sind zum einem diejenigen, die noch vollständig intakt sind, aber derzeit nicht produzieren. Solche Ruhephasen, manchmal jahrzenhtelang, machen viele Destillerien durch, und das Beispiel Ardbeg zeigt, dass auch die Großen der Branche nicht davor gefeit sind.

Neben den Destillerien, die schon seit langen Jahren nicht mehr existieren (z.B. Octomore oder viele Brennereien aus Campbeltown, der ehemaligen Hauptstadt des Malt Whisky) und von denen oftmals nicht einmal mehr die Gebäude stehen, gibt es noch eine kleine, aber interessante Gruppe geschlossener Destillerien. Auch diese sind unwiederbringlich Geschichte, weil die Gebäude oder zumindest die Einrichtung (insbesondere die Brennblasen) nicht mehr existieren, von denen aber noch Lagerbestände der letzten Produktion existieren.

Das bekannteste Beispiel dieser Gruppe dürfte Port Ellen auf Islay sein. 1983 gschlossen, weil der Besitzer (heute Diageo) gleich drei Brennereien auf dieser Insel besaß (Port Ellen, Lagavulin, Caol Ila) und seine Produktion optimieren und sein Markenportfolio straffen wollte. Von der Brennerei in Port Ellen stehen noch die dekorativen Pagodentürme und einige Warehouses. Der Rest ist weg und kann nie wieder aufgebaut werden. Natürlich könnte man an dieser Stelle eine neue Destillerie installieren, aber bei den vielen Faktoren, die das Geschmack eines Whieskies mitbestimmen, dürfte sich der "alte" Port Ellen nie wieder erzeugen lassen. Ob man bei Diageo geahnt hat, dass die Preise für Abfüllungen aus Port Ellen dermaßen durch die Decke gehen? Im Ballygrant Inn, einer der schönsten Unterkünfte und die größte Whiskybar auf Islay) sagte uns der Besitzer, dass er aufgehört habe, Port Ellen Abfüllungen für die Bar zu kaufen, seit die Einstandspreise über 1500,- GBP gestiegen sind.

Andere Destillerien dieser Kategorie sind auch nicht gerade für Schnäppchenpreise zu bekommen, aber doch weit von den oben genannten Regionen entfernt und oftmals einen Versuch absolut wert. Michael von malt'n'taste hat sechs davon herausgepickt und uns in einem seiner gekannten Tastings serviert. Und er hat wirklich feine Tropfen gefunden. Da kann man echt traurig sein, dass es wirklich "die letzten Tropfen" sind. Die bessere Idee ist aber natürlich, sich darüber zu freuen, dass man diese Tropfen genießen darf.

Die Notes fallen wie üblich bei Tastings etwas kürzer aus, aber die Liste und ein paar Gedanken zu jedem Whisky dürfen natürlich nicht fehlen.

  • Littlemill 12 yrs, Lowlands, 40% - Farbe: Safran. Holz und Vanille in der Nase, dazu Äpfel, die sich auch auf der Zunge wiederfinden. Frisch und "bissig". Kurzer und erdiger Abgang. Interessant: Es ist gut möglich, dass der Whisky älter ist als das Label aussagt. Littlemill hat nämlich zum Schluss keine Etiketten mehr drucken lassen. D.h. die letzten Abfüllungen wurden mit Etiketten ausgeliefert, deren "12 yrs"-Aufdruck im wahrsten Sinne des Wortes veraltet waren.

  • Imperial 19 yrs, Speyside, 54,6%, Flasche #86 - Farbe: Safran. Der erste Eindruck in der Nase: "frisch gestrichen". Das war aber mit Sicherheit der Alkohol, der sich schnell verzog und fruchtigen Aromen (Pfirsisch, Pflaume, etwas Sherry) und einem Hauch von Zimt Platz machte. Im Mund biss der Alkohol dann noch mal gut zu. Die Fruchtaromen blieben in der Nase, auf der Zunge waren Holz, kalter Rauch, Süße und Würzigkeit. Im Abgang tauchte dann noch ein bischen Mandel auf. Der Imperial ist definitiv in der oberen Tabellenhälfte des Abends zu finden.

  • Caperdonich 1999-2014, Speyside, 46% - Farbe: Senf. Dieser Whisky hat in einem Refill Sherry Cask gelegen. Ich habe zwar die üblichen Sherryaromen vermisst, aber vielleicht kommen Frische, Weichheit und süße Birne in der Nase aus dem Fass. Im Mund dann ganz anders: pfeffrig, würzig und Banane(!).

  • Rosebank 1990-2014, Lowlands, 46% - Farbe: Senf. Rum, Rosinen und Lakritz in der Nase, dazu bittere Früchte wie Pink Grapefruit oder Blutorange. Auf der Zunge dann brennende Schärfe, Pfeffer und Holz, vielleicht ein bischen Schokolade. Das Spannendste an diesem Whisky ist aber der Geschmack des Alters. Vielleicht spielen auch die Fülle im Mundraum und seine auffällige Balance eine Rolle, aber irgendwie schmeckt man, dass es ein alter Whisky ist.

  • Glen Mhor 29 yrs, Highlands, 51%, Cask Strength - Farbe: Kupfer. Um auf eine Fassstärke von nur noch 51% zu kommen, muss ein Whisky schon eine ganze Weile liegen, was man bei 29 Jahren durchaus so nennen kann. In der Nase fallen Sherry, Holz und Apfel (Winterapfel?) auf. Auf der Zunge dann Holz, Pfeffer, alter Kork und vielleicht ein bischen Salz und Leder(?). Das Finish ist überraschend heiß und mächtig, aber nur mittellang. Mein Favorit des Abends. Interessantes Detail am Rande: Das Etikett weist den Glen Mhor als Speysidewhisky aus. Die Destillerie liegt aber bei Inverness und damit eindeutig außerhalb der Region Speyside. Da sollte also eigentlich "Highlands" stehen. Dem Genuss tut das aber natürlich überhaupt keinen Abbruch.

  • Dallas Dhu 1975-2013, Speyside, 40%, Refill Bourbon - Farbe: Safran. In der Nase sehr blumig, aber auch Früchte (Citrusfrüchte, Mandarinen, vielleicht Pfirsisch). Und Schokolade. Im Mund süß, frisch und fruchtig, mit ein bischen Holz. Auch hier schmeckt man das Alter. Das Finish ist ebenfalls süß und fruchtig und hält sich schön lange in der Atemluft. In meiner persönlichen Liste des Abends nur knapp vom Glen Mhor geschlagen.

Fazit? Ein toller Abend, der so nie wieder kommt, der aber Lust macht, immer wieder Michaels Tastings zu besuchen. Ich feue mich schon auf seine Pläne für das nächste Jahr!

Empfehlung für Neugierige: seine Website: malt'n'taste

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