Ledaig 2008 Signatory Un-Chillfiltered Collection
Mein erster Besuch in Schottland führte mich auf die Insel Mull. Das war 1990 und ist jetzt schon ganz schön lange her. Damals war ich noch Student, und als solcher hatte man mehr Zeit als heutzutage. Na, um ehrlich zu sein: man nahm sie sich einfach, aber auch das ging damals einfacher als heute.
Ich besuchte damals eine Freundin, die ihrerseits zu Besuch bei einer ehemaligen Lehrerin war, die nach Ihrer Pensionierung nach Mull gezogen war. Ich hatte also das Glück, statt im Hotel bei Einheimischen (OK, Zugereisten) privat zu übernachten. So bekam ich sicherlich mehr von der Insel mit als es bei einem Aufenthalt als klassischer Tourist möglich gewesen wäre. Wir besuchten Freunde der Gastgeberin in einem Cottage, eine ganze Wegstrecke vom nächsten Haus entfernt, aber dafür unmittelbar an einer wunderschönen Seitenbucht von Loch Scridain. Wir waren zum Abendessen bei Nachbarn, wo der "Hausherr" als alter Seebär regelmäßig die Gezeiten protokollierte und dem kein Schiff entging, das im Sound of Mull sein Wohnzimmerfenster passierte. Und natürlich durfte ein Besuch in Tobermory nicht fehlen. Alles in allem waren das fünf Tage, die mir diese Insel sehr sympathisch gemacht haben. Übrigens dürfte dazu auch beigetragen haben, dass ich während der ganzen Zeit keinen Tropfen Regen gesehen habe ...
Whisky war damals noch gar nicht mein Thema. Das kam erst viel später. Ein erneuter Besuch in Schottland 1996 (Edinburgh, Skye, Mull) mit Destilleriebesuchen in Aberfeldy und bei Talisker hat wohl das seinige dazu beigetragen. Aber die Begeisterung für die Whiskies aus Tobermory (sowohl die ungetorften Tobermories als auch die getorften Ledaigs) brach erst letztes Jahr so richtig aus, als wir die Anreise zur Schiffstour nach Islay um einen Tagesausflug nach Mull ergänzten. Tolle Destillerieführung, wunderschöner Ort, (wieder mal) Traumwetter, und dann der Whisky ...
Seitdem habe ich immer wieder ein Auge auf die Abfüllungen von Mull, und nachdem auch Bekannte und Kollegen auf meine Vorliebe aufmerksam geworden sind, kommt auch aus dieser Richtung gelegentlich ein Tipp. So auch der Hinweis auf den nur siebenjährigen Ledaig 2008 aus der Un-Chillfiltered Collection von Signatory. Es handelt sich um eine vergleichsweise preiswerte Einzelfassabfüllung, destilliert am 21.02.2008 und abgefüllt am 20.07.2015 mit 46%. Das Fass war ein Hogshead mit der Nummer 800024, und der Farbe nach zu urteilen dürfte es sich um ein mit Bourbonwhisky vorbelegtes Fass gehandelt haben - wenn überhaupt. Jedenfalls wurde der Whisky nicht nachgefärbt, und übrigens auch nicht kühlgefiltert. Na gut, sonst hätte er ja auch nichts in der Un-Chillfiltered Collection zu suchen. Die Flaschennummer ist die 4(!), leider ist nirgends vermerkt, von wie vielen. Auch die Whiskybase schweigt sich dazu aus.
Colour: C3 (Stroh)
Nose: Das geht ja gut los. In der Nase ist der Ledaig kraftvoll und scharf. Der Rauch ist intensiv und nicht ganz so ölig wie bei anderen Ledaigs (insbesondere denen aus Sherryfässern). Hefe, Gras und Holz herrschen vor und vermitteln einen sehr frischen Eindruck. Dahinter ein wenig Harz und Jod. Und Vanille? Ich weiß nicht. Die sollte bei einem Bourbon-Fass ja auch nicht fehlen. Ich finde sie aber höchstens andeutungsweise. Vielleicht ist das Fass doch ein ganz frisches gewesen?
Taste: Auf der Zunge ist der Whisky erstaunlich leicht, recht ausgeglichen und salzig. Außerdem weiß ich jetzt, was der ursprüngliche Autor des Tastingsheets, das ich verwende, mit "trocknend" gemeint hat. Ich hatte tatsächlich das Gefühl, dass meine Zunge kurz nach dem Schluck trocken war. Die frischen Duftnoten von Holz und Gras sind auch im Geschmack zu finden, dazu Zitrusschale und - natürlich - Rauch. Vanille? Wieder Fehlanzeige.
Finish: Der Abgang ist mittellang und nicht übermäßig bemerkenswert. Hauptsächlich Rauch.
Insgesamt ist der Ledaig kein sonderlich komplexer Whisky. Ihn als einfach zu bezeichnen, wird ihm aber auch nicht gerecht. Er ist halt - anders. Ich finde ihn durchaus reizvoll, das ist beileibe kein Alltagswhisky. Aber damit allein hätte ich mich nicht so für die Whiskies von Mull begeistert.
Wertung:
Zur Destillerie gehts hier: Tobermory