Blind Sample (Mai 2017)

Blind Sample Mai 2017

Neulich, im Whiskyshop ...

Wir waren zum Stammtisch einer lokalen Facebook-Gruppe gegangen und hatten (zum Thema Bruichladdich) ein paar offene Flaschen aus dem heimischen Regal mitgebracht. Die kamen ganz gut an, wie es scheint, und einen davon (einen Port Charlotte) hatte ich jemandem, der an dem Abend nicht dabei sein konnte, als Sample versprochen. Als Gegengabe hatte ich mir ein Blind Sample erbeten, also eine unbeschriftete Flasche, deren Inhalt ich völlig frei von Vorabinformation probieren und beurteilen konnte. Der Tausch fand im Whiskyladen meines Vertrauens statt, und anschließend ich war froh, dass mein Portemonnaie diesen Besuch ohne Schäden überstanden hatte. Das ist ja nicht immer so ...

Ein paar Wochen Urlaub und andere Termine musste das Sample noch im Regal parken, nun war es endlich soweit. Ich hatte zwei Informationen vorab: Die Flasche wurde in demselben Laden gekauft, in dem die Übergabe stattgefunden hatte, und der Whisky ist nicht getorft.

Also los, gehen wir auf die Suche nach der Wahrheit. Meine Frau hat mitgesucht.

Colour: M1 (Pastellgold). - Das ist schon ganz schön hell. Also ein Ex-Bourbon-Fass? Virgin Oaks machen den Whisky etwas dunkler, und Sherry oder andere Finish-Kandidaten erst recht. Vielleicht noch ein Weißweinfass, aber die sind jadoch eher selten.

Nose: Das erste, was ich in der Nase registriere, ist Alkohol. davon scheint er nicht zu knapp zu haben. Auch Holz bemerke ich sofort, Vanille auch, aber nur wenig. Süß riecht er, nach Marzipan und getrockneten Aprikosen. Meine Frau meint auch, Schwefel zu riechen, aber da sind wir und nicht einig geworden. Dafür ist der Whisky noch sehr nussig, und auch herbere Nussnoten (ich musste an diese dunkle, dünne Innenschale von Haselnüssen denken) finden sich. Später lassen die Noten, die man mit Ex-Bourbon-Fässern verbindet, etwas nach, und auch die Aprikosen werden dünner. Dafür wird der Whisky jetzt intensiv buttrig, oder auch ölig. - Zu Beginn tun wir uns etwas schwer mit dem Whisky. Erst später "taut er auf", und die Nussnoten nehmen meine Frau gefangen. Ich lasse mich eher von den buttrigen Aromen verführen und habe einen ersten Verdacht.

Taste: Auf der Zunge ist der Unbekannte erstmal ordentlich scharf und alkoholisch. Dazu Holz und Bitterstoffe, aber auch irgendwas Süßes. Ungewögnlich ist, dass sich der Geschmack nur auf der Zunge abspielt, nicht im restlichen Mundraum. Ganz zu Anfang ist da noch ein Hauch von Tabak, aber der verzieht sich schnell und kommt nicht wieder. Insgesamt finden wir hier einen sehr klassischen Basisgeschmack, der unter allem, was sich sonst noch so tut, liegt. - Der Verdacht nach der Nase hat sich leider nicht so richtig erhärtet. Stattdessen kann ich mich jetzt nicht zwischen zwei Kandidaten entscheiden.

Finish: Der Abgang schließlich ist mittellang und reicht bis in die Speiseröhre. Auf der Zunge ist der Whisky noch länger präsent.

Wertung:

Tja, und was ist das nun? Im Moment habe ich noch keine Ahnung, muss also raten. Ich taste mich mal langsam von den Details hoch. Sobald ich die Auflösung habe, trage ich die hier natürlich nach.

Also die Details. Wie schon aus der Farbe geschlossen, tippe ich auf ein Ex-Bourbon-Fass. Weißwein oder Virgin Oak hätten andere Aromen hinterlassen, und alles andere scheidet schon wegen der Farbe aus. Der Alkoholschärfe nach zu urteilen könnte es sich um eine Fassstärke handeln. Alter? Na, so ganz jung ist er wohl nicht mehr, aber den hier schon mehrfach beschriebenen "Geschmack von Alter" finden wir hier auch nicht. Ich tippe auf irgendwas zwischen 10 und 15 Jahren.

Nächster Schritt: die Region. Ich tippe auf die Highlands, und zwar nach dem Ausschlussverfahren: Islay, Campbeltown und Inseln würde ich ausschließen, weil die viel mehr Ecken und Kanten haben - oder gar Rauch. Lowland-Whiskies dagegen sind mir zu weich, und auch wenn ich dasselbe für die Speyside so sagen könnte, nenne ich diese Region nochmal separat. Das ist eine andere Weichheit, runder und eleganter. Wie dem auch sei: das alles hatte unser Kandidat nicht. Bleiben die Highlands.

Und die Destillerie? Da kann man sich natürlich gewaltig in die Nesseln setzen, aber ich habs ja so gewollt. Also gut: nach der Nase hatte ich an Deanston gedacht. Die habe ich in letzter Zeit ein bisschen häufiger getrunken, und mindestens bei einem hatte ich auch viele Butternoten, daher meine Vermutung nach der Nase. Nach der Zunge schien das alles nicht mehr so recht zu meinen Erinnerungen zu passen, und auch wenn ich noch eine gewisse Resthoffnung habe, dass es ein Deanston sein könnte, lege ich mich jetzt zum Abschluss auf Glengoyne fest. Oder doch ni...? - Doch, dabei bleibts jetzt.

Also gut, ich habe meine Entscheidung getroffen. Jetzt warte ich auf die Auflösung, und wenn ich die habe, dann ergänze ich diesen Artikel hier - natürlich ehrlich


Die Auflösung

Bruichladdich Vintage 1992

Ich habs ja gewusst! Keine Ahnung hab ich! Ach Du liebe Güte ...

Im Ernst: wir hatte einen Bruichladdich im Glas, und zwar einen Bruichladdich Vintage 1992 aus Signatorys Un-Chillfiltered Collection. Das Foto hat mir Arthur zur Verfügung gestellt, von dem auch das Sample stammte. Besten Dank!

Also mit 21 Jahren deutlich älter als geschätzt, dafür weniger Alkohol (46%) als vermutet. Highlands? Nichts da, wir hatten einen waschechten Islay-Whisky im Glas. Na, immerhin stimmte der Fasstyp ...

Dieser kleine Test hat mir großen Spaß gemacht, und ich werde das sicher bei Gelegenheit wiederholen.

Der Whisky in der Whiskybase: 57634

Zur Destillerie gehts hier: Bruichladdich

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