Blind Sample 08/2017

Blind Sample 08 2017

Im letzten Urlaub waren wir in Campbeltown und hatten im Shop von Cadenhead's so allerlei Flaschen des neuen Longrow Red (Malbec Cask Finish) gesehen. Der hätte mich schon gereizt. Da wir aber an diesem Tag noch anderes vorhatten (Destilleriebesichtigung, Warehousetasting und so), hatte ich auf diese Abfüllung verzichtet. Wir waren ja noch zwei Tage in der Stadt, und im Laden standen reichlich Flaschen ...

Denkste! Abends im Hotel konnten wir einen wahren Nachrichtensturm über den neuen Whisky verfolgen, und mir wurde erst da klar, dass der ganz frisch (nämlich an diesem Tag) veröffentlicht worden war. Und am nächsten Tag - wie sollte es anders sein - war natürlich nichts mehr da!

Nun ja, dann schauen wir uns mal bei Flaschenteilungen und Samples um. Muss ja auch nicht immer gleich eine große Flasche sein, davon stehen sowieso genug im heimischen Regal. Also Sample! Und vom Verkäufer - seines Zeichens Brand Ambassador bei Campari - bekam ich dann auch noch ein Blind Sample dazu, also unbeschriftet und ohne Informationen, mit der üblichen Chance, sich zu blamieren, wenn man anfängt zu raten. Und um dieses Blind Sample soll es im Folgenden gehen.

Colour: M8 - Kupfer

Nose: Der erste Eindruck in der Nase ist ... merkwürdig. Es riecht nach Senf (süßer, würziger Senf), Brühwürfeln und Essig. Jedenfalls nicht nach Whisky. Es ist auch kaum Alkohol zu finden. Dann kommt langsam eine leichte Süße, die auch intensiver wird. Die Hoffnung, dass damit nun eher typische Whiskyaromen freigesetzt werden, wird aber schnell wieder zunichte gemacht, und zwar durch Gewürzgurken. Doch, ehrlich! An diesem Whisky habe ich echt lange gerochen, aber die vorherrschende Assoziation ist wirklich die von herzhaften Lebensmitteln. Immerhin wird der Eindruck im Laufe der Zeit noch weicher und süßer. Aber merkwürdig bleibt es, und wir fragen uns, wie das wohl auf der Zunge weitergehen soll.

Taste: Die Antwort ist ungefähr genauso überraschend wie der Geruch. Der Whisky schmeckt nämlich wie ein richtiger Whisky. Und gar kein schlechter! Auf der Zunge hat er deutlich mehr Alkohol als in der Nase. Und der Alkohol steht ihm gut, trägt zu einem markanten, sogar etwas bissigen Geschmackserlebnis bei. Ob da auch Rauch ist, da werden wir uns nicht ganz einig. "Vielleicht ein bisschen" ist die Kompromissformel. Deutlich ist dagegen eine leichte Holznote (aber nicht so viel, dass es bitter wird) und frische Gerste. Abgerundet wird das Ganze durch eine angenehme Süße, genau im richtigen Maß für eine ausgewogene Gesamtkomposition.

Finish: Der Abgang ist mittellang, im Mund bleibt eine gewisse Schärfe und Wärme, die Süße geht eher mit ab.

Wertung:

Ich kann mich nicht erinnern, zuvor schon einmal ein so merkwürdiges Whiskyerlebnis gehabt zu haben. Diese Nase ist schon für sich genommen irritierend, und dass der Geschmack anschließend so völlig anders daher kommt, macht die Sache dann auch nicht einfacher. Was allerdings dann für ein versöhnliches Ende sorgt: geschmeckt hat der Whisky wirklich gut. Überdurchschnittlich, wie man an den vergebenen Sternen sieht.

Ich wage nun aber keine Prognose, welcher Whisky das denn nun gewesen sein könnte. Wenn ich es herausbekomme, ergänze ich den Artikel um die Auflösung.


Die Auflösung

Bruichladdich Vintage 1992

So, jetzt bin ich schlauer - und absolut angenehm überrascht. Es handelt sich um einen knapp fünf Jahre alten Glenglassaugh von Whiskybroker, den Mario Walter mit seinem Whiskyclub hat abfüllen lassen. Der Whisky hat in einem Ex-Portwein-Fass gelegen, und zwar in einem Octave-Fass. Das ist jetzt kein klassisches Portfass, also vermute ich, dass das Fass schon mit der Absicht der Whiskyreifung mit Port gefüllt wurde. Aber das macht ja nichts, Hauptsache, der Whisky schmeckt am Ende. Da das Fass ziemlich klein ist, brauchte es nicht viel Zeit, um viel Geschmack in den Whisky zu bekommen. Allerdings gibt es dann auch nicht viele Flaschen: gerade mal 86 Stück mit je 50 cl wurden abgefüllt. Die gute Nachricht: es gibt noch welche, und zwar hier. Eine habe ich mir gleich in den Warenkorb gestellt. Nicht nur, weil mich der Whisky (im Mund) wirklich überzeugt hat (und ich sowieso ein Fan von Portreifungen bin), sondern auch, weil ich testen will, ob die beschriebenen Geruchsnoten auch im Wiederholungsfall bestand haben.

Dass sich beim erneuten Tasting durchaus noch einiges ändern kann, zeigt sich übrigens schon daran, dass ich (zumindest in der Nase) nur wenig Alkohol gefunden hatte - der Whisky mit 58,3% aber weiß Gott nicht schlecht versorgt ist. Andererseits hatten wir "vielleicht ein bisschen" Rauch gefunden, was sich als durchaus korrekt herausgestellt hat: es wurde peated spirit verwendet, und der fällt in den Highlands nun mal deutlich dezenter aus als auf den Inseln.

Vielen Dank für das Sample, Mario, und für eine faszinierende Erfahrung.

Der Whisky in der Whiskybase: 99919

Zur Destillerie gehts hier: Glenglassaugh

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