The Temple Bar Signature Blend
Losglück ist sonst nicht so meins. OK, die Tickets für das Ardbeg-Dinner damals waren schon klasse, aber unter normalen Umständen hätte ich mein Losglück - zumindest in der "Sektion Whisky" - damit eigentlich auf Jahre hinaus aufgebraucht haben müssen ...
Hab ich aber wohl nicht. Neulich verloste Mareike von Irish Whiskeys fünf Miniaturen des The Temple Bar Signature Blend an Blogger. Und was war? Mitgemacht, Glück gehabt, zugeschickt! Und dann stand er vor uns im Glas.
Die Temple Bar ist der Pub im Dublin. Das Gelände geht zurück auf das 17. Jahrhundert und auf einen Sir William Temple, der auf dem Areal sein Haus baute. Und auch wenn der Name eigentlich gar nichts mit einer Bar im Sinne von Getränkeausschank zu tun hat (ein Bar, ursprünglich Barr, war eine Sandbank, eine Erhöhung im Mündungsgebiet eines Flusses), so passt die sprachliche Übereinstimmung der Worte doch nur zu gut zum heutigen Verwendungszweck.
Es gibt in Irland eine (etwas eingeschlafene) Tradition, dass Pubs ihren eigenen Whiskey haben. Natürlich brannte nicht jeder Pub selbst, aber der Whiskey lag in Fässern im eigenen Keller. Und da konnte man - wie jede Destillerie im eigenen Warehouse - natürlich viel Eigenständigkeit erzeugen: Stichworte Fassmanagement und Finish. Tom Cleary, heutiger Besitzer der Temple Bar, hat sich dieser Tradition angenommen und lagert Fässer im eigenen Keller, die dann unter dem Label "Temple Bar" abgefüllt, ausgeschenkt und verkauft werden.
Der Signature Blend besteht - natürlich - aus irischen Whiskeys, die in Ex-Bourbon- und Portwein-Fässern gelagert wurde. Ich habe keine Angabe gefunden, ob es sich um ein Port-Finish oder um eine Vermählung von Fasstypen handelt. Alles wurde landestypisch dreifach destilliert, und abgefüllt wurde der Whiskey mit 40%.
Colour: M6 - Ocker
Nose: Das erste, was uns in die Nase steigt, sind Zitrusnoten (Zitrone), leicht herb, wie von der Schale der Frucht, eine erste Erinnerung an Gin. Alkohol ist nicht sehr intensiv vertreten, dafür eine ganz leichte, buttrige Note (Öl? Fett?), Holz, wenig Vanille. Insgesamt ein, tja, wie soll ich sagen ... ein etwas "whiskeyfremder" Eindruck, aber sehr angenehm. Wenn man das Glas einen Moment warm hält, dann werden die Aromen deutlich süßer, alles riecht mehr nach Whiskey, man fühlt sich wieder zu Hause. Interessanter Effekt: wenn man einmal kurz und kräftig am Glas riecht (also genau so, wie man es nicht machen sollte ), dann ist der Gin-Eindruck wieder da: pfeffrige Eindrücke, sogar etwas Wacholder.
Taste: Im Mund finden wir zunächst mehr Alkohol als gedacht, dazu Holz, eine leichte Bitterkeit auf der Zunge, Fruchtaromen. Portnoten (Trockenfrüchte, wenig Rosinen, alles ein bisschen herber, dunkler, fruchtiger und schwerer als bei Sherry) erscheinen beim Schlucken, genau in dem Moment, in dem der Whiskey den Hals passiert. Wir wiederholen das Experiment "aus der Nase" und lassen einen Schluck nur ganz kurz im Mund, schlucken dann schnell. Die Fruchtnoten, vor allem in der hinteren Mundhöhle, werden stärker, drängen die Holz- und Portnoten zurück. Und der Gin-Eindruck ist wieder da. Wir haben sogar den Eindruck, dass er bei jedem Schluck ein bisschen mehr zur Geltung kommt.
Finish: Der Abgang ist im Mund mittellang, danach eher kurz. An der Aromenwelt ändert sich nichts mehr im Vergleich zur Tastingphase.
Wertung:
Das ist ja mal ein spannender Whiskey! Irgendwie geht man ja doch immer mit Vorurteilen (oder, na ja, bestimmten Erwartungen) an einen Whisk(e)y heran. Dei einem irischen Blend erwartet man ein weiches und rundes Gesamtbild, überwiegend klassische Aromen und - bei Trinkstärkeabfüllung - nur wenig oder zumindest sehr gut eingebundenen Alkohol.
Und eigentlich ist das auch alles da. Aber dahinter (daneben? darunter? darüber?) sind völlig unerwartet immer wieder diese Gin-Elemente. Natürlich ist das nur ein sehr vager Begriff, weil Gin mit seiner großen Vielfalt kaum genau zu fassen ist, aber irgendwas davon ist definitiv da. Hätte nicht meine Frau (die viel besser riecht als ich), darauf bestanden, dann hätte ich das vielleicht sogar als "kann gar nicht sein, da hab ich mich vertan" zur Seite gelegt. Ich habe auch mal nach anderen Tastingnotes zum Temple Bar geschaut, ohne dass ich irgendewelche Hinweise auf diese Aromen gefunden hätte. Aber da waren sie definitiv.
Und was mache ich jetzt daraus? Anscheinend zeigt sich der Whiskey nicht jedem gleich. Uns jedenfalls hat er sich in einem ungewöhnlichen, aber sehr spannenden und vor allem sehr leckeren Bild gezeigt. Vielleicht sollten wir den Temple Bar bei Gelegenheit nochmal probieren. Es besteht zwar die Gefahr, dass er dann "ganz normal" schmeckt und das Bild zerstört, das wir jetzt von ihm haben. Aber diese Neugier ... wird vermutlich siegen.
Vielen Dank an Mareike für das Sample und einen faszinierenden Whiskey.
Der Whiskey in der Whiskybase: 94760
Zur Bar gehts hier: The Temple Bar
Zum Irish Whiskeys Shop gehts hier: Irish Whiskeys