Angelo del Speyside

Angelo del Speyside

Da wo ich herkomme (also im Rheinland) gibt es eine allseits bekannte und akzeptierte Regel: "Ab dem dritten Mal ist es Tradition". Insofern fällt die Kronberger Genussmesse, die diese Jahr am 5. Mai zum vierten Mal stattfindet, schon in die Kategorie "altehrwürdig". Wer erleben will, dass die Veranstaltung dennoch jung und lebhaft (und natürlich extrem genussreich) ist, dem sei ein Besuch dringend ans Herz gelegt.

Ebenfalls traditionell ist die alljährliche Messeabfüllung, ein Whisky, den es in limitierter Auflage speziell zur Messe gibt und der auf den eher südländischen Namen Angelo del Speyside hört. Und auch in diesem Jahr hatten wir die Gelegenheit, diesen Tropfen schon vorab zu probieren und zu beschreiben. Es handelt sich in diesem Jahr um einen Whisky aus der Speyside. Viele Daten sind bekannt: Destilliert wurde er am 12.08.2008, abgefüllt am 29.11.2018. In den 10 Jahren dazwischen lag er in einem Amaronefass (#900855) und behielt bis zur Abfüllung noch starke 59,1% Alkohol. Nicht genannt wird dagegen die Destillerie, aus der der Whisky stammt. Wer über Erfahrung mit Speyside-Whiskys verfügt (oder eine hinreichend große Sammlung), der kann natürlich ein Vergleichstasting veranstalten. Und - soviel kann ich sagen - man hätte durch aus eine Chance, bekannte Noten wiederzuerkennen.

Colour: M8 - Kupfer mit leichtem Einschlag ins Rötliche.

Nose: Der erste Eindruck ist kräftig alkoholisch und sofort vollmundig - oder sollte man sagen "vollnasig"? Gut erkennbar ist auch eine deutliche Säure und Fruchtigkeit. Wir finden sehr reife Birne, so ungefähr in dem Stadium, in dem sie einem schon beim ersten Biss durch die Finger tropft. Und dann ... Kuchenteig! Da sind gleich Erinnerungen an die längst vergangene Kindheit da, als es zu den größten Erfolgen gehörte, wenn man es schaffte, einen Finger Teig aus Omas Schüssel zu stibitzen, bevor der zu - na was wohl - Kuchen verarbeitet wurde. Interessanterweise riecht der Whisky kaum süß. Das kommt erst, als ich das Glas in der Hand etwas angewärmt habe. Und die Wärme bringt auch ein paar dezente Holznoten mit. Und noch dezenter: Nüsse.

Taste: Ließ sich das Holz in der Nase noch etwas bitten, hatte ich es im Mund sofort. Herbe Noten (meine Frau nannte das regelrecht bitter), bissiger Alkohol: Das ist ein massiver Antritt. Nichts für Liebhaber süßer und weicher Gaumenschmeichler. Die fruchtigen Noten gehen da fast unter. Aber nur kurz, dann treten die herben Noten schnell zurück und lassen (wiederum leicht säuerlichen) Fruchtaromen den Vortritt. Die Holznoten bleiben, werden aber viel weicher und frischer. Meine Frau fühlte sich an einen leergeschleckten Eisstiel erinnert

Wasser: Ein herber, starker, schwer zugänglicher Whisky schreit geradezu danach, dass man mit ein paar Tropfen Wasser experimentiert. Und Wasser tut ihm sehr gut. Der Whisky wird deutlich süßer, die Fruchtigkeit bleibt länger, und spät kommen auch Rotweinnoten zum Vorschein. Den Bezug zu Rotwein hatte ich bisher nur über die schon genannte Säure hergestellt, obwohl Amarone ja nun weiß Gott kein saurer Wein ist.

Finish: Das Finish ist eines der längsten, das ich in letzter Zeit bei einem Whisky hatte. Geradezu heiß hält sich der Whisky auf der Zunge, und auch für den tieferen Hals bleibt noch viel wohlige Wärme übrig.

Wertung:

"Angelo" ist ein Whisky, der Zeit und Geduld braucht. Er gibt sich zu Anfang eher verschlossen und etwas kantig, aber wenn man ihm Zeit, Wärme und ein paar Tropfen Wasser gibt, dann öffnet er sich, wird mit jedem Schluck besser und belohnt den Geduldigen mit einem markanten und sehr eigenständigen Charakter. Ich muss zugeben, dass ich aus einem Amaronefass etwas anderes erwartet hatte: mehr Süße, Klebrigkeit, vielleicht ein bisschen Schokolade ... so in der Art, wie ich das aus anderen Amarone Cask Abfüllungen kenne. Aber ich bin sehr froh, dass dieser hier anders ist - keineswegs schlechter! - und mir wieder mal gezeigt hat, dass man Whisky halt nicht "nach Rezept" macht, sondern in Ruhe reifen lassen muss. Dafür darf man sich dann auf immer wieder neue Genusserlebnisse freuen. Womit wir wieder beim Stichwort "Genuss" wären (haben wir das eigentlich je verlassen?) und ich zum Schluss nochmal auf die Kronberger Genussmesse verweisen möchte. Neben vielfältigen Leckereien (Käse, Wein, Pralinen, Whisky, Schinken, Saucen, Kaffee, Champagner, Bier, Gin, ...) kann man nämlich auch "Angelo" hier kaufen. Ein guter Grund, mal vorbeizuschauen.

Der Whisky in der Whiskybase: 130006

Zur Genussmesse gehts hier: Kronberger Genussmesse

Whisky ist ein alkoholisches Getränk. Gehen Sie verantwortungsbewußt damit um. Genießen Sie Qualität in kleinen Mengen. Gefährden Sie nicht Ihre Gesundheit.

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