Tasting: Islay Only, 2016
Mit der Zeit ist es so eine Sache. Irgendwie hat man nie genug davon. Irgendwas frisst einem immer die Zeit weg, die man eigentlich für was anderes bräuchte. Meistens sind es lästige Sachen wie Arbeit, Steuern oder ähnliches. Zugegeben, diesmal war auch ein lange geplanter Urlaub dabei, aber in den letzten Wochen hat mich so allerlei davon abgehalten, hier mal einen Artikel zu schreiben. Dabei gab es einige wirklich lohnenswerte Anlässe (die natürlich ihrerseits weitere Zeit gefressen haben ...) Na egal, jetzt habe ich mal ein bisschen Luft, und die will ich gerne nutzen.
Kurz vor dem schon erwähnten Urlaub waren wir in Frankfurt bei einem Tasting, das von Freunden geleitet wurde. Wir hatten vorher nichts davon erwähnt, also war die Überraschung groß, als wir plötzlich zur Tür hereinmarschierten.
Die besagten Freunde besitzen ein Haus auf Islay, und wenn sie nicht gerade Tastings in Frankfurt veranstalten oder sich auf diversen Whiskymessen vor und hinter den Ständen "herumtreiben", dann wohnen sie dort, beherbergen Gäste und helfen auch gerne als Reiseführer aus.
Diesmal aber waren die beiden in Frankfurt bei Whisky for Life, der auch das Tasting veranstaltete. Bei den Moderatoren ist nicht verwunderlich, worum es ging: wir hatten sechs Whiskies von Islay im Glas, von denen einige nur dort auf der Insel erhältlich waren. Aber den Start machte ein siebter und ebenso auf besondere Weise mit Islay - und den Gastgebern - verbundener Whisky.
Lossit, 43,0%, The Lost Distillery Company
Auf Islay gibt es derzeit acht produzierende Destillerien, eine weitere ist im Bau. Im Laufe der Jahrzehnte (eigentlich schon Jahrhunderte) gab es jedoch eine ganze Reihe weitere Brennereien auf der Insel. Die eine oder andere (Port Charlotte, Octomore) findet sich heute noch in Whiskynamen ihrer Nachfolger wieder, oder der Whisky ist (Port Ellen) noch für horrende Preise zu kaufen. Über die Historie der Brennereien auf Islay gibt es einen schönen Übersichtsartikel, in dem auch die Destillerie Lossit Erwähnung findet.
Eine Firma, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Whiskies längst geschlossener Destillerien wieder zum Leben zu erwecken, versucht auch den Lossit nach Beschreibungen der Örtlichkeiten und Gerätschaften, wenn möglich auch nach Erfahrungsberichten noch lebender Zeitzeugen, mit ihren Blends nachzuempfinden. Und weil Lossit gerade einmal zehn Fußminuten vom Wohnort unserer Gastgeber entfernt liegt, bietet er sich als Hausdram und Begrüßungswhisky natürlich an. Übrigens war das ganze Tasting wie eine Reise über die Insel moderiert, und so starteten wir in Ballygrant.
Colour: hell. Im gemütlichen Halbdunkel des Tastingraumes war ich schon froh, die Farben annähernd abschätzen zu können, deshalb gibts diesmal keine Farbcodes aus der Tabelle.
Nose: In der Nase ist der Lossit torfig und rauchig. Na, kein Wunder, bei einem Islay-Whisky. Und auch mit den anderen Noten ist dem Blender hier eine sehr typische Islay-Komposition gelungen. Wie schon aus der Farbe zu vermuten, finden sich auch Holz und ein wenig Vanille, was auf eine Lagerung in Ex-Bourbon-Fässern schließen lässt.
Taste: Auch auf der Zunge ist das ein typischer Islay-Vertreter: Torf, Rauch, Holz, Vanille. Allerdings deutlich sanfter als die "Schwergewichte" der Insel, was ihn vielleicht zu einem guten Einsteiger in die Welt der rauchigen Whiskies mach.
Finish: Den Abgang fand ich recht kurz (im Gegensatz zu einem Kommentar in der Whiskybase) und immer noch ein wenig rauchig.
Wertung:
Ein leckerer, runder und durchaus gelungener Islay-Blend. Den kann man "für zwischendurch" gerne im Regal stehen haben. Und das tut er bei mir mittlerweile auch ...
Der Whisky in der Whiskybase: 69004
Bowmore 2006, 61,3%, 10yo handfilled
Der nächste Whisky war da schon von einem ganz anderen Kaliber. Bowmore stellt in der Destillerie immer wieder Fässer zur Verfügung, aus denen Besucher sich ihre Flasche selbst abfüllen können. Im September handelte es sich dabei um ein Weinfass aus der Region Bordeaux, befüllt am 20.02.2006. Die Flasche, die wir "im Glas" hatten, wurde daraus am 12.09.2016 abgefüllt. Und wie bei Bowmore üblich dürfte Malz mit etwa 25 ppm Phenol (ein Maß für die "Rauchigkeit") verwendet worden sein.
Colour: dunkel
Nose: Der (mit den Handflächen im Glas angewärmte) Whisky ist sehr fruchtig in der Nase, wir finden viele Rosinen, aber auch Orange und andere Früchte. Torf und Rauch sind verhalten, aber spürbar. (Auf der Hand verrieben wird der Rauch sehr viel deutlicher.) Gerste, Teeblätter, Holz und Vanille (auch ein Weinfass besteht aus Eiche) und einige blumige Noten.
Taste: Auf der Zunge ist der Bowmore zunächst mal scharf - kein Wunder bei der Stärke - dann finden wir Torf und Rauch, wenig Holz, und wieder fruchtige und würzige Noten. Die Orange ist wieder da, diesmal ein wenig Tabak, und der Whisky wird süß und mundfüllend. Und eine Eigenheit von Bowmore ist vorhanden, die nur meine Frau feststellen kann: alle Bowmores schmecken ihr unangenehm bitter auf der Zunge.
Finish: Der Abgang ist mittellang und warm. Ein Hauch von Vanille (den wir in der Nase schon mal hatten) kommt wieder zum Vorschein.
Wertung:
Auch ich bin kein wirklicher Fan von Bowmore. Dieser hier ist allerdings überdurchschnittlich gut. Für eine Flasche davon würde sich wohl ein Platz im Regal finden.
Der Whisky in der Whiskybase: 85808
Caol Ila 2006, 52,2%, 9yo Whisky-Doris
Caol Ila ist die "Whiskyfabrik" auf Islay. Mit dem größten Alkoholausstoß aller Destillerien auf der Insel und einer Single Malt Quote von gerade einmal 10% (der Rest geht in die Blend-Produktion) ist man leicht versucht, die Whiskies als "Massenproduktion" (wenn auch nicht Massenware, jedenfalls nicht die Single Malts) abzutun. Aber Neugier ist immer wieder ein Grund, zweite Chancen zu gewähren, und so haben wir natürlich auch diesen Caol Ila, der im Bourbon Hogshead gelagert wurde, nicht abgelehnt.
Colour: hell
Nose: In der Nase macht sich gleich der Geruch von kaltem Rauch breit, dazu Torf, Asche, dazu malzige und medizinische Noten. Ein paar Rosinen und Zitrusschalen, aber das war es.
Taste: Auch auf der Zunge herrscht der Eindruck von kaltem Rauch vor, hier kommen die typischen Ex-Bourbon-Noten dazu: Holz, Vanille und eine leichte Bitterkeit. Der Caol Ila macht einen sehr kräftigen Eindruck. Der Alkohol schmeckt jung (trotz der immerhin neun Jahre) und immer noch ein bisschen sprittig.
Finish: Das Finish ist kurz und kühl und hinterlässt keinen bleibenden Eindruck.
Es ist nicht so, dass wir uns nicht um den Caol Ila bemüht hätten. Aber am heutigen Abend war er der Verlierer. Wir werden es weiter versuchen ...
Wertung:
Der Whisky in der Whiskybase: 81869
Ardbeg 1996, 56,0%, Alambique Special Islay Malt
And now for something completely different ... Ich dachte, ich kenne Ardbeg. Naja, nicht jeden Whisky natürlich, aber doch den grundsätzlichen Brennereicharakter der aktuellen Abfüllungen, und auch einige alte Tropfen. Was wir aber hier im Glas hatten, das hätte ich niemals als Ardbeg erkannt. Es handelte sich um eine 19 Jahre alte Einzelfassabfüllung (Bourbon Cask, Cask Ref. #15102) aus dem Jahr 2015 von Alambique. Es steht zwar nicht Ardbeg auf der Flasche, aber wenn selbst Serge von Whiskyfun das bestätigt, dann reicht mir das, um sicher zu sein. Denn wie gesagt: beim Tasting wäre ich nicht darauf gekommen.
Colour: blaß
Nose: Dieser Whisky riecht ... anders! Wir riechen Kümmel, Anis, Süßholz, Menthol, Zitrus (oder Zitronat?), Holz (mit ein paar bitteren Noten) und Kölnisch Wasser. OK, bei letzterem waren wir uns nicht ganz einig, aber der Rest reicht auch schon für das PrädikAt "außergewöhnlich".
Taste: Auch auf der Zunge wieder diese ungewöhnlichen Noten: Anis, Süßholz und Kümmel, außerdem ein bisschen Holz. Dabei ist der Whisky süß.
Finish: Das Finish ist nur mittellang, recht kurz im Hals, länger verweilt er im Mund.
Wertung:
Ardbeg mal anders, aber in einem bleibt sich die Destillerie treu: sie bringt Whiskies hervor, die mir schmecken. Der Alambique hat sich den Platz in meinem Schrank redlich verdient!
Der Whisky in der Whiskybase: 74924
Kilchoman 2010, 56,9%, Quarter Cask Matured
Als nächstes ging es in den Westen der Insel, zur einzigen Destillerie auf Islay, die nicht an der Küste liegt. Kilchoman ist die jüngste Destillerie der Insel (seit 2005), aber was die Qualität ihrer Whiskies angeht, kann sie mit den Alteingesessenen Kollegen ohne weiteres mithalten. Wir hatten einen Whisky im Glas, der zwar "nur" sechs Jahre alt war (abgefüllt 2016), aber diese Zeit in Quarter Casks reifen durfte, die die Reifungszeit spürbar beschleunigen.
Quarter Casks sind mit ca. 50 bis 125 Litern Inhalt (je nachdem, welcher Quelle man glaubt) recht kleine Fässer für Whisky. Der Name kommt daher, dass ihr Inhalt nur in etwa ein Viertel der üblichen Größe beträgt. Wobei sich dann die Frage stellt, was "üblich" ist. Aus der oben genannten Spanne könnte man auf ein übliches Volumen zwischen 200 (Barrel) und 500 (Butt) Litern schließen. Naja, diese Größen sind ja tatsächlich recht verbreitet, aber die unterschiedlichen Angaben machen mich doch recht skeptisch, wie ernst ich die Angaben nehmen darf ...
Das ist aber alles viel weniger wichtig als der Whisky, der in diesen Fässern gelagert hat. Kilchoman ist zu klein, um bei den Port Ellen Maltings eine eigene Spezifikation zu bekommen, nach denen Malz für sie hergestellt wird. Aber sie können sich an die Spezifikationen anderer Destillerien anschließen. Hier hat man sich für Ardbeg mit 55ppm entschieden. (Ob man von Fall zu Fall andere Spezifikationen wählen kann oder ob man sich für eine entscheiden muss, weiß ich nicht.)
Colour: mittel, wie ein Whisky aus Ex-Bourbon-Fässern, der vergleichsweise viel Farbe abbekommen hat.
Nose: Wenig Holz, würzig, und typischer Kilchomanrauch. Zitrusnoten: Zitrone und Pampelmuse. Ein bisschen Wein? Und natürlich vieles, was man von einem Islaywhisky erwartet: Torf, Salz, Gerste - und vielleicht ein Hauch Schinken. Wenn man ein paar Tropfen auf der Hand verreibt, wird der Torf zu einem feuchten Moor. Außerdem kommen noch ein paar Schokoladennoten zum Vorschein.
Taste: Auch auf der Zunge: ganz typischer Kilchomanrauch. Und wieder Zitrone. Der Whisky prickelt richtig auf der Zunge. Dazu Malz und Torf. Alles verbindet sich zu einem sehr ausgewogenen Geschmack, aus dem keine Note extrem hervorsticht. Lecker!
Finish: Der Abgang ist lang, warm, rauchig und sehr angenehm. Von der Zunge verschwindet er recht schnell, aber im Hals hält er sich länger.
Wertung:
Wieder einer, den ich gerne auf meinem Regal willkommen heißen würde. Leider sind die kleineren Abfüllungen von Kilchoman nicht nur bei mir sehr beliebt, so dass man entweder schnell sein muss oder hohe Preise zahlen muss ... man kann halt nicht alles haben.
Der Whisky in der Whiskybase: 87160
Laphroaig Cairdeas, 51,3%, Feis Ile 2013, Port Wood Finish
Hey, ab im den Süden! Der nächste Whisky stammt aus der südlichsten Destillerie von Islay. Nur einen kurzen Fußweg von Port Ellen entfernt liegt Laphroaig. Als ich letzten Mai zum Distillery Open Day dort war, habe ich an einem "Side by Side" Tasting teilgenommen, bei dem es drei Cairdeas-Abfüllungen und die dazugehörigen Getränke aus den Finish-Fässern zu verkosten gab. Einer der Whiskies damals war der Cairdeas von 2013, der in Portweinfässen nachgereift wurde. Und eben diesen hatten wir heute Abend wieder im Glas. Ohne Altersangabe (aber ein Vögelchen hat mir gezwitschert, dass die verwendeten Fässer zwischen 8 und 13 Jahre alt waren) und mit 40-45 ppm getorft.
Colour: dunkel, leicht rötlich, wie für Portfinishes üblich
Nose: In der Nase kommt der Cairdeas recht scharf an, aber auch mit fruchtigen und malzigen Noten. Der Portwein hat eine zurückhaltende Süße hinterlassen, die sich über für Laphroaig typischen Noten von Torf, Jod, Salz, Gerste und Malz legt. Und ein paar Zitrusfrüchte schauen auch noch vorbei.
Taste: Auf der Zunge fehlt die Schärfe, der Whisky schmeckt stattdessen weich. Ansonsten finde ich auch hier die Noten aus der Nase, insbesondere die ausgewogene Mischung aus Torf, Malz und Süße. Mit ein paar Tropfen Wasser wird der Whisky noch deutlich weicher. Mir wird er dadurch zu weich.
Finish: Das Finish ist mittellang bis lang und warm.
Wertung:
Cairdeas ist das gälische Wort für Freundschaft, die Whiskies unter diesem Namen werden jährlich für die Mitglieder der Laphroaig Community abgefüllt. Und mit dieser speziellen Abfüllung habe ich durchaus eine persönliche Freundschaft geschhlossen. Leider ist diese Freundschaft mittlerweile selten und teuer.
Der Whisky in der Whiskybase: 42294
Lagavulin Jazz Festival 2016, 54,5%
Auf Islay ist Platz für mehr als ein Festival. Neben dem bekannten Feis Ile Ende Mai gibt es im September das "Lagavulin Islay Jazz Festival" mit diversen Musikveranstaltungen. Als Veranstalter (oder nur Sponsor?) tritt Lagavulin auf, aber die Veranstaltungen verteilen sich über die ganze Insel, auch einige andere Destillerien beteiligen sich.
Lagavulin bringt aus Anlass des Festivals auch eine eigene Abfüllung auf den Markt. 2016 war das eine Komposition aus Refill American Oak & 1st Fill ex-Bourbon Fässern. Eine Altersangabe gibt es nicht, aber das schon erwähnte Vögelchen meinte, es handele sich um Fässer von 8 bis 17 Jahren. In unseren Gläsern landete ein Schluck aus Flasche Nummer 5982 von 6000.
Colour: blassgold
Nose: Der erste Eindruck: Banane! Eine unserer Erfahrung nach ganz typische Note für Lagavulin, zumindest für Fassproben. Die Abfüllung scheint recht nahe am Fass zu sein. Danach finden wir Rauch, Torf, Gerste und Speck.
Taste: Auch im Mund findet sich die Banane wieder, ebenso Rauch, Torf und kräftige Gerste. Der Speck ist weg, aber dafür prickelt der Whisky regelrecht auf der Zunge. Ein Tropfen Wasser schleift Ecken und Kanten weg und macht den Whisky sehr rund.
Finish: Das Finish ist mittellang und süß. Sehr süß. Man hat fast das Gefühl, er klebt im Hals fest.
Wertung:
Ein leckerer Whisky, keine Frage. Aber hinter anderen Drams des Abends bleibt er zurück. Immerhin: von der Regalkante würde ich ihn nicht stoßen, wenn ich noch eine Flasche zu einem vertretbaren Preis fände. Ist allerdings unwahrscheinlich ...
Der Whisky in der Whiskybase: 86624
Am Ende war es ein hervorragendes Tasting in einem tollen Ambiente, mit unterhaltsamer Moderation, guten Freunden, exzellenten Whiskies. Und mit einer gehörigen Portion Fernweh! Die nächste Schottlandreise kommt bestimmt.
Zum Tastinganbieter gehts hier: Whisky for Life
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