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Tasting: 20 Jahre Plus

Tasting: 20 Jahree Plus

Das letze Tasting ist schon wieder fast einen Monat her, und nach einer arbeitsreichen Phase wird es jetzt mal Zeit, endlich einen Bericht zu verfassen. Michael ließ das Tastingjahr (wie immer im Gasthaus Zur Linde) mit einem echten Knaller anfangen: sechs Whiskies, von denen keiner weniger als 20 Jahre auf dem Buckel hatte! Insgesamt hatten wir 133 Jahre Lagerung in den Gläsern - wenn man den "Kalibrierwhisky" außer acht lässt, der ohne Altersangabe daherkam.

Der Kalibrierwhisky: Glen Grant The Major's Reserve

Whiskies "leben" im Fass, und auch nach langer Zeit sind sie noch einer kontinuierlichen Änderung unterworfen. Und wenn man sich einen ganzen Abend lang mit solch speziellen Tropfen befasst, dann ist es sinnvoll, nochmal einen klassischen Vertreter zum Vergleich dazu zu holen. So kann man recht schön den Weg beurteilen, den die "alten Herren" auf ihrem langen Weg zurückgelegt haben.

Für diese Kalibrieraufgabe hatten wir einen Whisky ohne Altersangabe (aber mit vermuteten sechs bis acht Jahren) aus der Region Speyside (aus der auch der überwiegende Teil der weiteren Whiskies des Abends kommen sollte) im Glas. Der Glen Grant ist mit klassischen 40% abgefüllt. Hier habe ich auf ausführliche Notes verzichtet, aber mir sind ein paar Calvadosnoten und ein sehr weicher Geschmack in Erinnerung geblieben. Nicht schlecht, aber mehr als seine Aufgabe hat er beim Tasting auch nicht erfüllt. Eine Flasche davon würde ich mir für das eigene Regal wohl nicht kaufen.

Der Whisky in der Whiskybase: 85258

Macallan Speymalt, 20 yrs

Auch der erste der "alten Hasen" kommt aus der Speyside. Speymalt ist die Bezeichnung für eine Serie von Whiskies des unabhängigen Abfüllers Gordon & Macphail. Obwohl die Destillerie korrekterweise nicht genannt werden darf, ist doch bekannt, dass es sich dabei um Fässer aus der Macallan Destillerie handelt. In diesem Fall stammt der Whisky aus Refill Sherry Hogsheads. Erwurde 1994 destilliert und 2014 mit 43% abgefüllt.

Colour: M7 (Safran)

Nose: Der Speymalt ist in der Nase fruchtig, hat wenig Sherrynoten, dafür Birne, Bienenwachs und, wenn man ihn in der Hand wärmt, ein paar Holznoten.

Taste: Im Mund wird das Holz deutlicher. Von den Früchten in der Nase ist so richtig nur die Birne übrig geblieben, dafür ist eine pfeffrige Schärfe zu schmecken. Und man schmeckt das Alter, dieses Gefühl, wenn der Whisky sich unter der Zunge breitmacht und dort Speichel zieht.

Finish: Das Finish ist weich, geradezu cremig, und hält sich lange am Gaumen.

Ich bin sonst nicht unbedingt ein Macallan-Fan, aber dieser hier überzeugt durchaus. Dass er keinen Platz in meinem Regal bekommen wird, liegt dann eher am Preis.

Wertung:

Der Whisky in der Whiskybase: 53544

Glenfarclas Edition No. 19, 24 yrs

Wir bleiben in der Speyside und wenden uns einer weiteren Destillerie mit einem großen Namen zu. Der "Edition No. 19" ist eine Sonderabfüllung der Destillerie zu Ehren George Buchanans, eines schottischen Philosophen, Dichters und Historikers des 16. Jahrhunderts. Den meisten Schottlandfahrern dürfte der Name allerdings eher von dem großen Busbahnhof in Glasgow (an der Buchanan Street) bekannt sein, von wo aus viele Touren zu allerlei Destillerien ihren Ausgang nehmen.

Der Glenfarclas wurde 1990 destilliert und im Juni 2015 mit 46% abgefüllt. Aus sieben Oloroso Sherry Casks (#6443, #9251, #10423-10427) wurden nur insgesamt 2400 Flaschen befüllt. Das ist erheblich weniger, als die Fässer (Butts?) eigentlich hergeben müssten. Vermutlich wurden die Fässer nicht vollständig für den "George Buchanan" verwendet.

Colour: M10 (Hennarot)

Nose: In der Nase finden wir Holz und Sherry, dazu fruchtige Noten von reifen Früchten. Außerdem ist da noch etwas, das wir als dunkle Schokolade identifizieren. Oder? So ganz sicher sind wir uns nicht.

Taste: Auf der Zunge wird die dunkle Schokolade dann deutlicher. Dazu Sherry, Rosinen und noch ein paar andere Früchte. Außerdem wirkt der Whisky trocken.

Finish: Der Abgang ist lang und scharf.

Wie schon zuvor der Speymalt könnte auch der Glenfarclas durchaus einen Platz im Regal beanspruchen, wenn er nicht so teuer wäre. Außerdem sind 2400 Flaschen ja nun auch nicht sooo viel, also dürfte man bestenfalls auf dem Zweitverwertermarkt etwas davon finden. Schade.

Wertung:

Der Whisky in der Whiskybase: 69648

Ben Bracken "Islay Secret", 22 yrs

Kurzer Ausflug nach Islay. Wir hatten einen der am meisten diskutierten Whiskies der letzten Monate im Glas. Lidl (ja, der Discounter) hatte einige Single Malts unter der Marke "Ben Bracken" als Aktion im Sortiment, und einer davon war ein 22-jähriger Islay Single Malt, destilliert 1993 und abgefüllt mit 40%. Natürlich ist "Ben Bracken" keine Destillerie, schon gar nicht auf Islay. Die tatsächliche Herkunft bleibt unklar.

Colour: M10 (Hennarot)

Nose: Der erste Eindruck in der Nase ist schon etwas rauchig, aber das verzieht sich schnell. Danach bleiben ein paar salzige und jodhaltige Noten übrig. Wenn man nach einer Weile erneut am Glas riecht, dann hat man auch für einen Moment wieder die Illusion von Rauch, aber mehr kommt da wirklich nicht.

Taste: Und im Mund? Na, eine gewisse Schärfe ist schon da, jedenfalls mehr als ich bei 40% erwartet hätte. Auch das Alter schmeckt man unter der Zunge. Dann noch ein bisschen Holz, und auch das Salz aus der Nase hat seinen Weg bis hierher gefunden. Rauch? Fehlanzeige!

Finish: Das Finish ist immerhin mittellang, bleibt aber auf der Zunge.

Hmm. Hört sich nicht so gut an, die Beschreibung. Schmeckte auch nicht so recht. Oder bin ich hier dem Effekt des "Was vom Discounter kommt, kann nichts taugen" aufgesessen? Eigentlich ist das nicht meine Art, solche Vorurteile zu pflegen. Hoffe ich jedenfalls. Aber wer weiß schon, was sich hinter der eigenen Stirn abspielt. In diesem Fall gab es eine Gelegenheit, den Whisky und das eigene Urteil zu überprüfen. Michael hatte wie immer noch ein paar Flaschen zum Verkauf hingesellt, unter anderem einen Ardbeg Ten. Den schnappte ich mir (natürlich gegen Geld!), und nach Abschluss des Tastings wurde die Flasche am Tisch geöffnet und gegen den Ben Bracken verkostet. Mal abgesehen davon, dass der Rest des Ben Bracken mittlerweile erheblich länger im Glas gestanden hatte als der frische Ardbeg: das Urteil fiel eindeutig aus: wer für wenig Geld die Welt der rauchigen Islay-Malts kennenlernen will, der ist mit dem Ben Bracken nicht gut beraten. Aus welcher Destillerie diese Fässer auch immer gekommen sein mögen, es können bestenfalls "Restefässer" gewesen sein, die sich für eine andere Verwendung als den anonymen Verkauf nicht eigneten.

Wertung:

Der Whisky in der Whiskybase: 89468

Glenrothes, Spirit & Cask Range, 21 yrs

Zurück in die Speyside, zurück zu den guten Whiskies. Wer mich und meine Whiskyvorlieben (Rauch und Inseln) kennt, der weiß, dass es mir nicht leicht fällt, einen solchen Satz zu schreiben. In diesem Fall war es aber tatsächlich so. Der nächste Whisky im Glas war eine Glenrothes Einzelfassabfüllung (Cask #12901, 257 Flaschen) von Spirit & Cask Range, destilliert am 05.06.1990 und abgefüllt 2011 mit 59,7%.

Colour: M10 (Hennarot)

Nose: 59,7% Alkohol machen sich bemerkbar, ganz eindeutig. Darüber hinaus sind aber auch Sherry, Rosinen und andere Früchte präsent. Orange lässt sich identifizieren, mit süßem Honig und bitterer Schokolade erinnert die Komposition ein bisschen an Grand Marnier. Außerdem ist da noch irgendwas Scharfes. Pfeffer?

Taste: Auf der Zunge finden wir Holz, Salz, scharfen Pfeffer, bittere und süße Noten, Lakritz und Zimt. Mit ein paar Tropfen Wasser wird die salzige Note deutlich milder, aber der Whisky wird nicht süß, wie man das sonst häufig findet. Stattdessen zieht er jetzt Speichel und wird geradezu trocken.

Finish: Der Abgang ist mittellang und bleibt eher im Mund und auf der Zunge.

Ein sehr leckerer Whisky, und insofern bemerkenswert, weil er in manchen Noten (Orange, Grand Marnier, Salz) so gar nicht den üblichen Sherry-Klischees folgt.

Wertung:

Der Whisky in der Whiskybase: 33824

Glendronach 21 yrs

Der nächste Whisky stammte aus den Highlands. Glendronach ist bekannt für seine Sherryfässer, und auch dieser Whisky kam aus einem solchen. Genauer gesagt aus dem Oloroso Sherry Butt #23. Destilliert wurde er am 15.01.1993, abgefüllt mit 52,1% in 681 Flaschen.

Wer ein bisschen nachrechnet, dem können übrigens durchaus Zweifel an der Bezeichnung "Single Cask" kommen. So ein Butt fasst 500 Liter, bei einer Flaschengröße von 0,7l reicht das also (ohne Angels Share) für etwa 714 Flaschen. Bei 681 abgefüllten Flaschen hätte man etwa 95% des Fassinhaltes abgefüllt, was für 21 Jahre ein ziemlich unrealistischer Verdunstungsverlust wäre. Nun könnte man ja annehmen, der Whisky sei vor der Abfüllung herunterverdünnt worden. Es ist zwar nicht üblich, das dann noch als Single Cask zu bezeichnen, aber es wird gemacht, und genaugenommen ist das ja auch nicht falsch. Aber zum einen wären 52,1% eine ungewöhnliche Zielstärke für Verdünnungen, und zum anderen klingt diese Stärke für über 20 Jahre gar nicht so unrealistisch als unverdünnte Fassstärke.

So, komplett verwirrt von den Zahlenspielen? Dann lasse ich es hier mal gut sein damit. Ein paar Mysterien dürfen schließlich gerne als Salz in der Suppe bleiben, und mit dem Whisky haben wir ja noch Besseres vor uns.

Colour: D1 (Pariser Rot)

Nose: "Nur" 52,1%? Das fühlt sich in der Nase aber ganz anders an. Der Alkohol ist das erste, was Präsenz zeigt. Danach kommt das, was man von einem Glendronach erwartet: Sherry, Sherry und Sherry. Dazu Rum(topf), Rosinen und viele überreife Früchte (so ungefähr der Reifegrad, den man in "Fruchtfliegen pro Kubikmeter" in der Luft über der Obstschale messen kann). Wenn man dann noch ein paar Rezeptoren frei hat in der Nase, dann finden da vielleicht noch ein paar Rotweinaromen ihren Platz. Aber das war nach der Überflutung mit Sherryaromen schwer zu beurteilen.

Taste: Auf der Zunge ist der Glendronach erstmal sehr süß, natürlich wieder aus der Sherry-Richtung. Das überlagert sogar den Alkohol, der sich erst dahinter einreiht. Aber auch eine spürbare Schärfe ist da, die ein wenig an Chilli (die Schoten, nicht den Eintopf) erinnert, und Holznoten. Mit einem kleinen Stück Schokolade verschwindet die Schärfe, und die anderen Noten treten deutlicher hervor.

Finish: Der Abgang ist lang und warm, und diesmal auch dort, wo so ein Abgang hingehört: tief in Hals und Magen.

Ein exzellenter Whisky, obwohl (oder gerade weil?) Glendronach sonst nicht so ganz in meinem Fokus liegt.

Wertung:

Der Whisky in der Whiskybase: 58346

Strathmill, The Ultimate, 25 yrs

Das beste zum Schluss? Jedenfalls gab es zum Abschluss den ältesten Whisky des Abends. Wieder aus der Speyside und vom unabhängigen Abfüller "The Ultimate" hatten wir einen Strathmill im Glas, der am 26.03.1990 destilliert und am 26.10.2015 mit 46% abgefüllt wurde. Auch hier handelt es sich um eine Einzelfassabfüllung (Cask #1530, Flasche 155 von 276), und in diesem Fall ist die Verdünnung (auf eine klassische Tringstärke von 46%) offensichtlich.

Colour: M6 (Ocker)

Nose: Der Strathmill kommt mit einem dezenten Aroma daher. Wir finden frische Früchte (Pfirsich) und süß-buttrige Noten wie Fudge und Karamell. Dazu ist er ein bisschen nussig und ölig. Und irgendwo kommt eine vorsichtige Idee von Menthol durch. Außerdem, und das erstaunt, ist er auch leicht rauchig.

Taste: Im Mund ist er süß, mit Karamell und Aprikosen. Holznoten sind deutlich zu schmecken. Dazu erneut ganz leicht rauchige Noten. Mit der Zeit entwickelt er im Mund eine zunehmende Schärfe, die die leichten Noten überlagert.

Finish: Das Finish ist nicht sonderlich lang, aber auch hier: leicht rauchig.

Der Strathmill ist zwar der älteste, aber (für mich) nicht der beste Whisky des Abends. Das liegt vielleicht daran, dass er sehr elegant abgerundet wirkt, während ich lieber die Ecken und Kanten an Whiskies schmecke. Aber das ist ja glücklicherweise nur meine eigene Ansicht. Interessant ist aber diese leichte Rauchnote, die sich durch die gesamte Begegnung mit dem Whisky zieht. Für Rauch hatte ich Strathmill eigentlich nicht auf der Rechnung (auch wenn man niemals etwas ausschließen soll), und auch eine kurze Suche bei Google hat da kein klares Bild ergeben. Da werde ich bei Gelegenheit nochmal etwas intensiver auf die Suche gehen.

Wertung:

Der Whisky in der Whiskybase: 74604

Fazit

Die Überschrift der ersten Folie des Abends lautete: "Age matters?" Meine Antwort auf diese Frage ist ein klares "Jein". Einerseits entwickelt sich Whisky auch nach langer Zeit im Fass noch spürbar weiter. Das kann ihm sehr gut tun (auch wenn man es übertreiben kann: irgendwann werden Fass, Holz und Bitternoten übermächtig), und es gibt auch diese schon mehrfach beschriebene Note von Alter, die sich keinem anderen Geruch, Geschmack oder Gefühl zuordnen lässt. Auf der anderen Seite habe ich gerade an diesem Abend viele Noten und Aromen in den Drams gehabt, die ich auch bei jüngeren Whiskies schon hatte, auch in ähnlicher Intensität. Die Einzigartigkeit eines Whiskies setzt sich aus vielen Komponenten zusammen: Malz, Brennblasen, Fassquialität, Lagerumgebung, Finishing. Und Alter, natürlich. Aber eben nicht nur Alter, und auch nicht so, dass das Alter den entscheidenden Unterschied macht.

Die Vielfalt in der Whiskywelt erlaubt es glücklicherweise, sich auch mal einen ganzen Abend lang mit einer Facette auseinanderzusetzen. Das war in diesem Fall eben das Alter. Was aber immer gleich bleibt, ist die Qualität der Zusammenstellung und der Moderation, mit der Michael seine Tastings gestaltet. Wissen, Erfahrung und Begeisterung machen hier den Unterschied, nicht das Alter.

Zum Veranstalter gehts hier: malt'n'taste

Tomatin 2006 Germany First Edition

Tomatin 2006 Germany First Edition

Die Einrichtung des Whiskyzimmers geht so langsam voran, und der Wunsch eines Freundes nach Tastingnotes für den Tomatin 2006 Germany First Edition bot eine willkommene Gelegenheit zu einem "Betatest" der neuen Einrichtung.

Der Tomatin ist eine Sonderabfüllung für den deutschen Markt. Wenn ich die Jungs am Stand auf der Interwhisky richtig verstanden habe, dann ist der Anlass die Übernahme des Tomatin-Vertriebs in Deutschland durch den neuen Distributor "Sierra Madre". Und auch wenn der Name jetzt kein klassisch schottischer ist: ein Gespür für eine nette Destillerie und Abfüllung haben sie.

Der "Germany First Edition" ist zehn Jahre als (destilliert am 25.05.2006, abgefüllt am 10.11.2016) und hat im 1st Fill Oloroso Sherry Butt mit der Nummer #2840 gelegen. Herausgekommen sind 548 Flaschen mit satten 57,6% Alkohol.

Colour: M7 (Safran)

Nose: Da ist viel Sherry, das steht mal fest, und auch die typischen Noten, die mit Sherry einhergehen: Rosinen, Trockenfrüchte und Rum bis hin zum Rumtopf. Dazu ist Schokolade deutlich vorhanden. Der Running Gag des Abends war "Das riecht wie Ritter Sport Rum-Trauben-Nuss". Naja, und sooo weit war das gar nicht von der Wahrheit entfernt. Aber es gab durchaus noch mehr zu riechen, etwa die leichten Popcorn-Noten, süße Vanille (ohne Holznoten), Kuchenteig, Kakao und Earl Grey Tee: nicht so intensiv wie das Original, aber die Bergamotte-Noten waren schon deutlich. Insgesamt eine sehr vielfältige Komposition, und sehr intensiv. So viel hätte ich nach der für ein 1st Fill Sherryfass doch eher blassen Farbe gar nicht erwartet. Da sieht man mal wieder, dass die Farbe längst nicht alles ist.

Taste: Natürlich wird der Whisky zuerst mal unverdünnt probiert. Aber schon die Werte auf dem Papier waren uns Warnung genug, es vorsichtig anzugehen. Und zwar zu Recht. Der Tomatin ist sehr stark. Nicht nur vom Alkohol, aber 57,6% haben schon ihre Wirkung. Der nächste Eindruck überrascht: eine ziemlich intensive Bitterkeit auf dem Zungenrand. Und weiter geht es mit den Überraschungen: jetzt kommen andere Noten (Sherry, Rosinen, Früchte, Milchschokolade, Schokoladenkuchen, Kakao) zum Vorschein, aber die Bitterkeit bleibt mit wechselnder Intensität immer da. Wie in Wellenbewegungen scheint sie sich mal in den Hintergrund fallen zu lassen, während sie sich im nächsten Moment wieder nach vorne drängt. In der Summe ergibt das ein sehr spannendes (und ausgesprochen leckeres) Gesamtbild.

Finish: Und auch beim Abgang lässt sich dieser Whisky nicht lumpen: lang und geradezu heiß verklingt er. Zwar geht er nicht so sehr in Hals und Magen, sondern bleibt eher auf der Zunge, aber das tut der Sache wirklich keinen Abbruch.

Der Tomatin ist ein weit überdurchschnittlicher Whisky. Hoffentlich bekomme ich bei Gelegenheit nochmal eine Flasche davon. Im neuen Regal ist die Platzsituation ja jetzt wieder ein bisschen entspannter, da würde sich schon noch ein Plätzchen finden. Aber auch die gesamte Destillerie Tomatin verdient mehr Aufmerksamkeit, als ich ihr bisher zugestanden hatte. Wie schön, dass man beim Whisky immer wieder Neues findet, was einen Blick und Schluck wert ist.

Wertung:

Der Whisky in der Whiskybase: 89898

Zur Destillerie gehts hier: Tomatin

Deanston 20yo Oloroso

Deanston 20yo Oloroso

Deanston ist die "unbekannte Dritte" unter den Destillerien unter dem Dach von Burn Stewart Distilleries. Sind Tobermory auf Mull und Bunnahabhain auf Islay (vielleicht mal abgesehen von der Aussprache) auch einem größeren Publikum bekannt, so fristet Deanston eher die Rolle als Aschenputtel. Völlig zu Unrecht, wie dem Whiskyfan durchaus bekannt ist, und nicht nur wegen der malerisch am Fluß Teith gelegenen Destilleriegebäude in einer ehemaligen Baumwollmühle, knapp fünfzehn Kilometer nordwestlich von Stirling und schon der Region Highlands zugehörig.

Neben der Standard Range bringt Deanston jährlich eine limitierte Sonderabfüllung auf den Markt. Der 2016er - ein 10-jähriger PX - war sehr schnell ausverkauft, was wohl neben dem Hype-Effekt auch an der extrem kleinen Anzahl Flaschen (unter 200, wenn ich mich nicht irre) lag, die es gab. Beim 2015er ist die Einkaufslage mit 8400 Flaschen deutlich entspannter, auch wenn das immer noch kein Massenprodukt ist. Der Deanston 20 yrs Oloroso Casks ist bei der Flaschenanzahl natürlich keine Einzelfassabfüllung, aber er wurde mit Fassstärke (naja, wohl eher Batchstärke) von 55,3% abgefüllt. Meine Flasche habe ich auf der Interwhisky gekauft, nachdem ich ihn am Stand von Burn Stewart (bzw. des Importeurs) probiert hatte.

Colour: M8 (Kupfer)

Nose: Das erste, was mir in die Nase steigt, sind Sherrynoten, Rosinen, Trockenfrüchte und Rum. Die Noten sind nicht ganz so süß, wie man sie von anderen sherrylastigen Whiskies kennt, das erinnert eher an herbe Früchte. Dann kommen Butter und Mürbeteig, die in ihrer Kombination an Shortbread erinnern. Und Gewürze sind da. Liebstöckel meine ich erkannt zu haben - ich fühlte mich an Tobermory erinnert - aber ansonsten konnte ich keine Einzelgewürze erkennen. Und schließlich meine ich noch eine leichte Holznote gefunden zu haben.

Taste: Im Mund kommt dann erstmal der Alkohol zur Geltung. Dann überwiegt aber auch hier der Sherry mit seinen typischen Beinoten wie Rosinen, Rum und Trockenfrüchte. Und auch die Gebäcknoten kennen wir im Prinzip schon aus der Nase. Jetzt sind sie allerdings nicht mehr so sehr butter- und gewürzlastig, ich fühle mich eher an Teig oder Kekse erinnert. Butterkekse vielleicht - also doch noch ein bisschen Butter. Der Geschmack nach Macadamianüssen animiert uns dann wieder zu einem Experiment: ein Biss in die Macadamia-Nusskekse, was exzellent zusammen passt. Und noch ein Experiment: ein paar Tropfen Wasser machen den Deanston sehr süß, er schmilzt geradezu im Mund. Mit viel Zeit entwickelt er dann noch eine würzige Geschmackswelt, die der ledrigen Würzigkeit von Tobermory ähnelt.

Finish: Das Finish ist nur mittellang.

Das Finish ist zwar nur kurz, aber da hat er mich ohnehin schon längst für sich gewonnen. Was für ein Whisky! Der kommt ganz weit nach oben in meiner Lieblingsliste. Und in der Wunschliste natürlich auch ...

Wertung:

Der Whisky in der Whiskybase: 75098

Zur Destillerie gehts hier: Deanston

Edradour 16yo German Fortified Wine

Edradour 16yo German Fortified Wine

Schon seit einer ganzen Weile stand ein interessantes Sample in meinem Schrank. Ich hatte es von einem Freund zur Verkostung bekommen, aber irgendwie war ich nie dazu gekommen. Es handelt sich um den Edradour 16yo German Fortified Wine, ein 16 Jahre alter Whisky, der mit 54,4% abgefüllt wurde und ein Finish in einem Barrique-Fass genossen hat. "German Fortified Wine" steht auf dem Etikett, also deutscher Starkwein. Was es damit genau auf sich hat, habe ich in einem lesenswerten Artikel über eine sehr interessante deutsch-schottische Zusammenarbeit gefunden. In Kürze: Ein deutscher Winzer hat seinen Rotwein nach Art eines Portwein verarbeitet: langjährige Gärung und Aufsprittung mit Branntwein, mit am Ende gut 19% Alkohol. In die Fässer dieses Starkweines wurde dann ein bereits 14-jähriger Edradour gefüllt. Das Ergebnis weiterer zwei Jahre Lagerung kam dann in die Flaschen und letzten Endes in mein Glas.

Colour: D3 (Espresso), also sehr dunkel, aber mit einem leicht rötlichen Einschlag

Nose: In der Nase ist der erste Eindruck der von Wein und Alkohol. Süß riecht er, eine herbe Süße wie von Portwein (kein Wunder bei der Entstehungsgeschichte), und er hat fruchtige Noten: Brombeergelee und Holundersaft. Außerdem kann er auch die Herkunft des Whiskies aus Ex-Bourbon-Fässern nicht verheimlichen, es sind deutliche Holznoten zu finden. Vanille allerdings nicht, die wird wohl von den Süß- und Fruchttönen überdeckt. Wenn man den Edradour im Glas ein wenig wärmt, dann verstärken sich die Holznoten, während die Weinelemente zurückgehen. Aber er wird auch noch süßer, und Töne von Marmelade und Schokolade erscheinen.

Taste: Essig??? Hmm, doch, keine Frage, die erste Assoziation auf der Zunge ist die von Essig. Das dürfte dann wohl am Rotweinfinish liegen, auch wenn der mehr mit Portwein zu tun hat. Das Essig-Intermezzo dauert allerdings nur einen Moment, wird dann überdeckt von Rotwein. Ansonsten bestätigt die Zunge die Nase weitgehend. Zusätzlich schmecke ich aber noch eine gewisse Würzigkeit. Bei Rotwein würde ich von Tanninen sprechen. Wenn man die Zungenspitze gezielt "überspringt" (also den Whisky direkt auf den hinteren Teil der Zunge gießt und auch - nach Möglichkeit - nichts zurück nach vorne fließen lässt), dann verstärkt sich diese Würzigkeit, man denkt unwillkürlich an Gewürz- oder Glühwein.

Zeit: Wenn man dem Edradour ein wenig Zeit gibt, dann verstärkt sich die Würzigkeit auf der Zunge weiter. Außerdem wird er noch etwas süßer, und er entwickelt Kirscharomen. Weder Amarena- noch Mon Cherie-Kirschen, wie man sie gelegentlich findet, sondern frische Kirschen. Insgesamt tut ihm die Zeit sehr gut, einen halben Stern der Bewertung hat er sich durch die Verbesserung im Laufe der Zeit verdient.

Finish: Der Abgang ist nur mittellang. Das hätte ich bei dem Alkohol intensiver erwartet.

Wertung:

Der Whisky in der Whiskybase: 75278

Zur Destillerie gehts hier: Edradour

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