Tasting: 20 Jahre Plus
Das letze Tasting ist schon wieder fast einen Monat her, und nach einer arbeitsreichen Phase wird es jetzt mal Zeit, endlich einen Bericht zu verfassen. Michael ließ das Tastingjahr (wie immer im Gasthaus Zur Linde) mit einem echten Knaller anfangen: sechs Whiskies, von denen keiner weniger als 20 Jahre auf dem Buckel hatte! Insgesamt hatten wir 133 Jahre Lagerung in den Gläsern - wenn man den "Kalibrierwhisky" außer acht lässt, der ohne Altersangabe daherkam.
Der Kalibrierwhisky: Glen Grant The Major's Reserve
Whiskies "leben" im Fass, und auch nach langer Zeit sind sie noch einer kontinuierlichen Änderung unterworfen. Und wenn man sich einen ganzen Abend lang mit solch speziellen Tropfen befasst, dann ist es sinnvoll, nochmal einen klassischen Vertreter zum Vergleich dazu zu holen. So kann man recht schön den Weg beurteilen, den die "alten Herren" auf ihrem langen Weg zurückgelegt haben.
Für diese Kalibrieraufgabe hatten wir einen Whisky ohne Altersangabe (aber mit vermuteten sechs bis acht Jahren) aus der Region Speyside (aus der auch der überwiegende Teil der weiteren Whiskies des Abends kommen sollte) im Glas. Der Glen Grant ist mit klassischen 40% abgefüllt. Hier habe ich auf ausführliche Notes verzichtet, aber mir sind ein paar Calvadosnoten und ein sehr weicher Geschmack in Erinnerung geblieben. Nicht schlecht, aber mehr als seine Aufgabe hat er beim Tasting auch nicht erfüllt. Eine Flasche davon würde ich mir für das eigene Regal wohl nicht kaufen.
Der Whisky in der Whiskybase: 85258
Macallan Speymalt, 20 yrs
Auch der erste der "alten Hasen" kommt aus der Speyside. Speymalt ist die Bezeichnung für eine Serie von Whiskies des unabhängigen Abfüllers Gordon & Macphail. Obwohl die Destillerie korrekterweise nicht genannt werden darf, ist doch bekannt, dass es sich dabei um Fässer aus der Macallan Destillerie handelt. In diesem Fall stammt der Whisky aus Refill Sherry Hogsheads. Erwurde 1994 destilliert und 2014 mit 43% abgefüllt.
Colour: M7 (Safran)
Nose: Der Speymalt ist in der Nase fruchtig, hat wenig Sherrynoten, dafür Birne, Bienenwachs und, wenn man ihn in der Hand wärmt, ein paar Holznoten.
Taste: Im Mund wird das Holz deutlicher. Von den Früchten in der Nase ist so richtig nur die Birne übrig geblieben, dafür ist eine pfeffrige Schärfe zu schmecken. Und man schmeckt das Alter, dieses Gefühl, wenn der Whisky sich unter der Zunge breitmacht und dort Speichel zieht.
Finish: Das Finish ist weich, geradezu cremig, und hält sich lange am Gaumen.
Ich bin sonst nicht unbedingt ein Macallan-Fan, aber dieser hier überzeugt durchaus. Dass er keinen Platz in meinem Regal bekommen wird, liegt dann eher am Preis.
Wertung:
Der Whisky in der Whiskybase: 53544
Glenfarclas Edition No. 19, 24 yrs
Wir bleiben in der Speyside und wenden uns einer weiteren Destillerie mit einem großen Namen zu. Der "Edition No. 19" ist eine Sonderabfüllung der Destillerie zu Ehren George Buchanans, eines schottischen Philosophen, Dichters und Historikers des 16. Jahrhunderts. Den meisten Schottlandfahrern dürfte der Name allerdings eher von dem großen Busbahnhof in Glasgow (an der Buchanan Street) bekannt sein, von wo aus viele Touren zu allerlei Destillerien ihren Ausgang nehmen.
Der Glenfarclas wurde 1990 destilliert und im Juni 2015 mit 46% abgefüllt. Aus sieben Oloroso Sherry Casks (#6443, #9251, #10423-10427) wurden nur insgesamt 2400 Flaschen befüllt. Das ist erheblich weniger, als die Fässer (Butts?) eigentlich hergeben müssten. Vermutlich wurden die Fässer nicht vollständig für den "George Buchanan" verwendet.
Colour: M10 (Hennarot)
Nose: In der Nase finden wir Holz und Sherry, dazu fruchtige Noten von reifen Früchten. Außerdem ist da noch etwas, das wir als dunkle Schokolade identifizieren. Oder? So ganz sicher sind wir uns nicht.
Taste: Auf der Zunge wird die dunkle Schokolade dann deutlicher. Dazu Sherry, Rosinen und noch ein paar andere Früchte. Außerdem wirkt der Whisky trocken.
Finish: Der Abgang ist lang und scharf.
Wie schon zuvor der Speymalt könnte auch der Glenfarclas durchaus einen Platz im Regal beanspruchen, wenn er nicht so teuer wäre. Außerdem sind 2400 Flaschen ja nun auch nicht sooo viel, also dürfte man bestenfalls auf dem Zweitverwertermarkt etwas davon finden. Schade.
Wertung:
Der Whisky in der Whiskybase: 69648
Ben Bracken "Islay Secret", 22 yrs
Kurzer Ausflug nach Islay. Wir hatten einen der am meisten diskutierten Whiskies der letzten Monate im Glas. Lidl (ja, der Discounter) hatte einige Single Malts unter der Marke "Ben Bracken" als Aktion im Sortiment, und einer davon war ein 22-jähriger Islay Single Malt, destilliert 1993 und abgefüllt mit 40%. Natürlich ist "Ben Bracken" keine Destillerie, schon gar nicht auf Islay. Die tatsächliche Herkunft bleibt unklar.
Colour: M10 (Hennarot)
Nose: Der erste Eindruck in der Nase ist schon etwas rauchig, aber das verzieht sich schnell. Danach bleiben ein paar salzige und jodhaltige Noten übrig. Wenn man nach einer Weile erneut am Glas riecht, dann hat man auch für einen Moment wieder die Illusion von Rauch, aber mehr kommt da wirklich nicht.
Taste: Und im Mund? Na, eine gewisse Schärfe ist schon da, jedenfalls mehr als ich bei 40% erwartet hätte. Auch das Alter schmeckt man unter der Zunge. Dann noch ein bisschen Holz, und auch das Salz aus der Nase hat seinen Weg bis hierher gefunden. Rauch? Fehlanzeige!
Finish: Das Finish ist immerhin mittellang, bleibt aber auf der Zunge.
Hmm. Hört sich nicht so gut an, die Beschreibung. Schmeckte auch nicht so recht. Oder bin ich hier dem Effekt des "Was vom Discounter kommt, kann nichts taugen" aufgesessen? Eigentlich ist das nicht meine Art, solche Vorurteile zu pflegen. Hoffe ich jedenfalls. Aber wer weiß schon, was sich hinter der eigenen Stirn abspielt. In diesem Fall gab es eine Gelegenheit, den Whisky und das eigene Urteil zu überprüfen. Michael hatte wie immer noch ein paar Flaschen zum Verkauf hingesellt, unter anderem einen Ardbeg Ten. Den schnappte ich mir (natürlich gegen Geld!), und nach Abschluss des Tastings wurde die Flasche am Tisch geöffnet und gegen den Ben Bracken verkostet. Mal abgesehen davon, dass der Rest des Ben Bracken mittlerweile erheblich länger im Glas gestanden hatte als der frische Ardbeg: das Urteil fiel eindeutig aus: wer für wenig Geld die Welt der rauchigen Islay-Malts kennenlernen will, der ist mit dem Ben Bracken nicht gut beraten. Aus welcher Destillerie diese Fässer auch immer gekommen sein mögen, es können bestenfalls "Restefässer" gewesen sein, die sich für eine andere Verwendung als den anonymen Verkauf nicht eigneten.
Wertung:
Der Whisky in der Whiskybase: 89468
Glenrothes, Spirit & Cask Range, 21 yrs
Zurück in die Speyside, zurück zu den guten Whiskies. Wer mich und meine Whiskyvorlieben (Rauch und Inseln) kennt, der weiß, dass es mir nicht leicht fällt, einen solchen Satz zu schreiben. In diesem Fall war es aber tatsächlich so. Der nächste Whisky im Glas war eine Glenrothes Einzelfassabfüllung (Cask #12901, 257 Flaschen) von Spirit & Cask Range, destilliert am 05.06.1990 und abgefüllt 2011 mit 59,7%.
Colour: M10 (Hennarot)
Nose: 59,7% Alkohol machen sich bemerkbar, ganz eindeutig. Darüber hinaus sind aber auch Sherry, Rosinen und andere Früchte präsent. Orange lässt sich identifizieren, mit süßem Honig und bitterer Schokolade erinnert die Komposition ein bisschen an Grand Marnier. Außerdem ist da noch irgendwas Scharfes. Pfeffer?
Taste: Auf der Zunge finden wir Holz, Salz, scharfen Pfeffer, bittere und süße Noten, Lakritz und Zimt. Mit ein paar Tropfen Wasser wird die salzige Note deutlich milder, aber der Whisky wird nicht süß, wie man das sonst häufig findet. Stattdessen zieht er jetzt Speichel und wird geradezu trocken.
Finish: Der Abgang ist mittellang und bleibt eher im Mund und auf der Zunge.
Ein sehr leckerer Whisky, und insofern bemerkenswert, weil er in manchen Noten (Orange, Grand Marnier, Salz) so gar nicht den üblichen Sherry-Klischees folgt.
Wertung:
Der Whisky in der Whiskybase: 33824
Glendronach 21 yrs
Der nächste Whisky stammte aus den Highlands. Glendronach ist bekannt für seine Sherryfässer, und auch dieser Whisky kam aus einem solchen. Genauer gesagt aus dem Oloroso Sherry Butt #23. Destilliert wurde er am 15.01.1993, abgefüllt mit 52,1% in 681 Flaschen.
Wer ein bisschen nachrechnet, dem können übrigens durchaus Zweifel an der Bezeichnung "Single Cask" kommen. So ein Butt fasst 500 Liter, bei einer Flaschengröße von 0,7l reicht das also (ohne Angels Share) für etwa 714 Flaschen. Bei 681 abgefüllten Flaschen hätte man etwa 95% des Fassinhaltes abgefüllt, was für 21 Jahre ein ziemlich unrealistischer Verdunstungsverlust wäre. Nun könnte man ja annehmen, der Whisky sei vor der Abfüllung herunterverdünnt worden. Es ist zwar nicht üblich, das dann noch als Single Cask zu bezeichnen, aber es wird gemacht, und genaugenommen ist das ja auch nicht falsch. Aber zum einen wären 52,1% eine ungewöhnliche Zielstärke für Verdünnungen, und zum anderen klingt diese Stärke für über 20 Jahre gar nicht so unrealistisch als unverdünnte Fassstärke.
So, komplett verwirrt von den Zahlenspielen? Dann lasse ich es hier mal gut sein damit. Ein paar Mysterien dürfen schließlich gerne als Salz in der Suppe bleiben, und mit dem Whisky haben wir ja noch Besseres vor uns.
Colour: D1 (Pariser Rot)
Nose: "Nur" 52,1%? Das fühlt sich in der Nase aber ganz anders an. Der Alkohol ist das erste, was Präsenz zeigt. Danach kommt das, was man von einem Glendronach erwartet: Sherry, Sherry und Sherry. Dazu Rum(topf), Rosinen und viele überreife Früchte (so ungefähr der Reifegrad, den man in "Fruchtfliegen pro Kubikmeter" in der Luft über der Obstschale messen kann). Wenn man dann noch ein paar Rezeptoren frei hat in der Nase, dann finden da vielleicht noch ein paar Rotweinaromen ihren Platz. Aber das war nach der Überflutung mit Sherryaromen schwer zu beurteilen.
Taste: Auf der Zunge ist der Glendronach erstmal sehr süß, natürlich wieder aus der Sherry-Richtung. Das überlagert sogar den Alkohol, der sich erst dahinter einreiht. Aber auch eine spürbare Schärfe ist da, die ein wenig an Chilli (die Schoten, nicht den Eintopf) erinnert, und Holznoten. Mit einem kleinen Stück Schokolade verschwindet die Schärfe, und die anderen Noten treten deutlicher hervor.
Finish: Der Abgang ist lang und warm, und diesmal auch dort, wo so ein Abgang hingehört: tief in Hals und Magen.
Ein exzellenter Whisky, obwohl (oder gerade weil?) Glendronach sonst nicht so ganz in meinem Fokus liegt.
Wertung:
Der Whisky in der Whiskybase: 58346
Strathmill, The Ultimate, 25 yrs
Das beste zum Schluss? Jedenfalls gab es zum Abschluss den ältesten Whisky des Abends. Wieder aus der Speyside und vom unabhängigen Abfüller "The Ultimate" hatten wir einen Strathmill im Glas, der am 26.03.1990 destilliert und am 26.10.2015 mit 46% abgefüllt wurde. Auch hier handelt es sich um eine Einzelfassabfüllung (Cask #1530, Flasche 155 von 276), und in diesem Fall ist die Verdünnung (auf eine klassische Tringstärke von 46%) offensichtlich.
Colour: M6 (Ocker)
Nose: Der Strathmill kommt mit einem dezenten Aroma daher. Wir finden frische Früchte (Pfirsich) und süß-buttrige Noten wie Fudge und Karamell. Dazu ist er ein bisschen nussig und ölig. Und irgendwo kommt eine vorsichtige Idee von Menthol durch. Außerdem, und das erstaunt, ist er auch leicht rauchig.
Taste: Im Mund ist er süß, mit Karamell und Aprikosen. Holznoten sind deutlich zu schmecken. Dazu erneut ganz leicht rauchige Noten. Mit der Zeit entwickelt er im Mund eine zunehmende Schärfe, die die leichten Noten überlagert.
Finish: Das Finish ist nicht sonderlich lang, aber auch hier: leicht rauchig.
Der Strathmill ist zwar der älteste, aber (für mich) nicht der beste Whisky des Abends. Das liegt vielleicht daran, dass er sehr elegant abgerundet wirkt, während ich lieber die Ecken und Kanten an Whiskies schmecke. Aber das ist ja glücklicherweise nur meine eigene Ansicht. Interessant ist aber diese leichte Rauchnote, die sich durch die gesamte Begegnung mit dem Whisky zieht. Für Rauch hatte ich Strathmill eigentlich nicht auf der Rechnung (auch wenn man niemals etwas ausschließen soll), und auch eine kurze Suche bei Google hat da kein klares Bild ergeben. Da werde ich bei Gelegenheit nochmal etwas intensiver auf die Suche gehen.
Wertung:
Der Whisky in der Whiskybase: 74604
Fazit
Die Überschrift der ersten Folie des Abends lautete: "Age matters?" Meine Antwort auf diese Frage ist ein klares "Jein". Einerseits entwickelt sich Whisky auch nach langer Zeit im Fass noch spürbar weiter. Das kann ihm sehr gut tun (auch wenn man es übertreiben kann: irgendwann werden Fass, Holz und Bitternoten übermächtig), und es gibt auch diese schon mehrfach beschriebene Note von Alter, die sich keinem anderen Geruch, Geschmack oder Gefühl zuordnen lässt. Auf der anderen Seite habe ich gerade an diesem Abend viele Noten und Aromen in den Drams gehabt, die ich auch bei jüngeren Whiskies schon hatte, auch in ähnlicher Intensität. Die Einzigartigkeit eines Whiskies setzt sich aus vielen Komponenten zusammen: Malz, Brennblasen, Fassquialität, Lagerumgebung, Finishing. Und Alter, natürlich. Aber eben nicht nur Alter, und auch nicht so, dass das Alter den entscheidenden Unterschied macht.
Die Vielfalt in der Whiskywelt erlaubt es glücklicherweise, sich auch mal einen ganzen Abend lang mit einer Facette auseinanderzusetzen. Das war in diesem Fall eben das Alter. Was aber immer gleich bleibt, ist die Qualität der Zusammenstellung und der Moderation, mit der Michael seine Tastings gestaltet. Wissen, Erfahrung und Begeisterung machen hier den Unterschied, nicht das Alter.
Zum Veranstalter gehts hier: malt'n'taste