Tasting: Handfilled
Letzten Samstag war es mal wieder so weit. Ein Tasting bei Malt'n'Taste, und was für eins! Das Thema des Abends hieß "Handfilled", und so etwas treibt den Puls bei jedem Whiskyliebhaber in die Höhe. Heißt es doch, dass die Flaschen, die es zu verkosten gab, in der jeweiligen Destillerie von Hand direkt aus dem Fass abgefüllt worden sind. Das ist, noch über die Einzelfassabfüllungen hinaus, der Gipfel dessen, was man sich wünschen kann. Man war nicht nur in der Destillerie zu Besuch, sondern man durfte direkt am Fass selbst aktiv werden und den ausgewählten Tropfen selbst abfüllen.
Dabei machen die Destillerien durchaus Unterschiede. Bei manchen steht das aktuelle Fass direkt im Shop, ist mit einem Hahn versehen, und die Abfüllung ist nur wenig spektakulärer als an einem Waschbecken. Bei anderen Destillerien wird man ins Warehouse geführt, darf das Fass selbst öffnen und entnimmt den Whisky ganz klassisch mit einem Valinch, einer Art überdimensionaler Metallpipette.
Letztlich macht das allerdings kaum einen Unterschied, wenn man wieder zu Hause ist und sich an tolle Touren und leckere Tropfen erinnert. Und auch wenn Michael nicht die Touren mit uns teilen konnte (obwohl er mit Taste-ination auch das gelegentlich tut), hat er mit den unter viel Aufwand - aber ebensoviel Freude - gesammelten Flaschen für das Tasting ein großes Stück seiner persönlichen Schottland-Erinnerungen mit uns geteilt.
Zu den Besonderheiten der Handfilled-Flaschen gehört es, dass sich dazu kaum Tasting Notes finden. Deshalb haben wir im Tasting die Notes komplett selbst erstellt. Was ich hier beschreibe, setzt sich also zusammen aus den Eindrücken aller Teilnehmer.
Zum "Kalibrieren" gab es den Tomatin Legacy (40%), einen Whisky ohne Altersangabe und gar nicht mal schlecht. Mit den weiteren Tropfen des Abends konnte er natürlich nicht mithalten, soviel war von vorneherein klar, aber für sich genommen ist das ein gefälliger Whisky mit typischen Ex-Bourbon-Noten wie Vanille, Holz und karamelliger Süße. Seinen Zweck hat er jedenfalls erfüllt: unsere Zunge war schnell für die Hauptdarsteller des Abends vorbereitet.
Hazelburn
Den Auftakt machte ein Hazelburn aus der Destillerie Springbank in Campbeltown. Eigentlich ist Hazelburn selbst der Name einer Destillerie (ebenfalls in Campbeltown), aber die gibt es schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Springbank hat mit seinem dreifach destillierten und aus ungetorftem Malz hergestellten Whisky jedoch einen der vielen Namen aus der großartigen Vergangenheit dieser Stadt wiederbelebt.
Unter dem Label "The Tasting Room" verkauft Cadenheads, ältester unabhängiger Abfüller, ebenfalls in Campbeltown beheimatet und mit Springbank durch eine gemeinsame Mutterfirma verbandelt, Abfüllungen von Hazelburn, Springbank, Longrow (getorfter Whisky, ebenfalls von Springbank, ebenfalls nach einer historischen Destillerie benannt) und Kilkerran (aus der benachbarten Glengyle-Destillerie und ebenfalls zum Gesamtunternehmen gehörig) aus immer wieder nachgefüllten Fässern, bei denen auch nie genau bekannt ist, aus welchen Ursprungsfässern sich der Inhalt zusammensetzt.
Viel Spielraum also, um zu raten und zu spekulieren. Bekannt ist immerhin das Abfülldatum (26.09.2015) und die Alkoholstärke (51,5%). Und bei Ansicht der Farbe fällt es auch nicht schwer, auf die Beteiligung von Sherryfässern zu schließen.
Colour: M10 - Hennarot
Nose: Der erste Eindruck ist der von Knetgummi. Glücklicherweise lässt das schnell nach. Dahinter wird es süß und fruchtig, es riecht nach dunklen Früchten. Wir sind uns sicher, dass da ein Sherryfass dabei war, wenn auch nicht ausschließlich. Und für ein PX-Fass sind die Aromen irgendwie nicht süß genug, es dürfte ein trockenerer Sherry gewesen sein. Dunkle Schokolade ist noch da, modrige Erde, trockene Dörrfrüchte, ein paar leichte Röstaromen und ein bisschen Walnuss.
Taste: Auf der Zunge zeigt sich gleich zu Anfang, dass es sich tatsächlich nicht ausschließlich um Sherryfässer gehandelt haben kann. Deutlich ist das Holz zu schmecken, und der Whisky zieht viel Speichel. Dazu Noten von Leder (nasses Leder vielleicht, jemand hatte die Assoziation von einem Lederbeutel mit Wasser). Und natürlich Alkohol. Eigentlich ist der Whisky ja gar nicht sooo stark, aber die reine Stärke ist ja nicht immer das Maß für den Eindruck auf der Zunge. Dann finden wir noch gebrannte Mandeln, wieder Schokolade und nussige Aromen, diesmal aber keine spezifische Nusssorte. Was den Zusatz von Wasser angeht, waren die Ansichten gespalten, von "grandios" bis "geht so". Ich war eher bei der letzteren Fraktion.
Finish: Das Finish war lang, spielte sich aber nur im Mundraum ab. Tiefer habe ich nichts gespürt.
Wertung:
Sehr guter Whisky zum Einstieg, mit einer Vielzahl von Aromen und einer klaren Unterscheidbarkeit zwischen verschiedenen Fasstypen.
Zur Destillerie gehts hier: Springbank
Benromach
Benromach gehört zu den Destillerien, die bisher immer so ein bisschen an mir vorbei gegangen sind. Wenn es schon um die Speyside ging (die sowieso nicht mein erstes Jagdrevier ist), dann hatten bisher immer andere Whiskys Vorrang. Aberlour, Glenfarclas, Balvenie, Glenrothes ... immer drängelte sich wer vor in meiner Aufmerksamkeit. Diesmal aber gab es im Tasting einen Benromach, und da gehts schön der Reihe nach, also hatte er unsere ganze Aufmerksamkeit. Bei Benromach laufen die Handabfüllungen unter dem Label "The Distillery Cask". Dieses hier war das Sherry Cask #12079301, destilliert am 29.04.2002, abgefüllt am 21.03.2014. Nach diesen elf Jahren kamen immerhin noch 57,9% Alkohol in die Flasche.
Colour: M10 - Hennarot
Nose: Der erste Eindruck ist der von frischer Gerste und - untypisch für die Speyside - ein wenig rauchig. Und zwar finden wir kalten Rauch, wie ich ihn sonst am ehesten von Caol Ila kenne, allerdings längst nicht so stark, sondern nur ganz leicht. Holz ist da, Süße (weniger als beim Hazelburn zuvor), Vollmilchschokolade und Alkohol. Erstaunlich: auch der Alkohol ist in der Nase weniger stark als beim Hazelburn, dabei hat er auf dem Papier deutlich mehr davon.
Taste: Zuerst schmeckt der Benromach süß und fruchtig. Die Süße verstärkt sich zunächst noch, bevor der Alkohol die Oberhand gewinnt. Er ist halt doch ganz schön stark ... Dann kommen (im Rachen, ganz hinten) Noten von Tabak. Holz finden wir kaum, bzw. wir sind uns nicht einig, ob überhaupt welches da ist. Mit ein paar Tropfen Wasser, die bei der Alkoholstärke durchaus einen Versuch wert sind, wird der Whisky besser, noch süßer, er öffnet sich sehr schön im Mundraum. Dazu kommen jetzt Pfeffer und eine frische Säure dazu, Orange, Wacholder und Gerste, wie zu Anfang in der Nase.
Finish: Das Finish spielt sich vollständig im Mund ab, tiefer geht da nichts. Das macht aber richtig Spaß, denn so hat man noch länger etwas von den Aromen.
Wertung:
Offensichtlich sind die Benromachs, die ich bisher immer verpasst habe, einfach zu scheu gewesen, um sich (für mich) ins richtige Licht zu stellen. Der hier war eine tolle Erfahrung, und in meinem Notizbuch steht jetzt ein Sternchen hinter Benromach: "dringend mehr von ausprobieren".
Zur Destillerie gehts hier: Benromach
Deanston
Deanston ist eine Destillerie, die in der Vergangenheit eher unscheinbar war. Gegründet 1965 in den Gebäuden einer ehemaligen Baumwollmühle, Spinnerei und Weberei, wurde Deanston lange Zeit wenig beachtet. Erst in den letzten Jahren trat die Destillerie, die nur 10 Kilometer von Stirling entfernt ist und mit Zug und Bus bequem von Glasgow oder Edinburgh aus erreicht werden kann, mehr ins Rampenlicht. Als wir im Mai 2017 dort waren, fanden wir eine interessante Produktionsumgebung, ein beeindruckendes Warehouse, ein hübsches Cafe und einen liebevoll eingerichteten und gut ausgestatteten Shop vor.
4.2017 abgefüllt hatte. Mit 59,7% war das bisher der stärkste Whisky des Abends (was er um ein Haar auch geblieben wäre.)
Colour: M10 - Hennarot mit einem Stich ins Roséfarbene
Nose: Holz ist das erste, was wir riechen. Eigentlich ungewöhnlich aus einem Rotweinfass, und sehr lange hat der Whisky ja auch noch nicht darin verbracht. Trotzdem ist die Note eindeutig. Dann kommen Veilchen und Gummibärchen (na, jedenfalls so eine Idee davon), bevor der erwartete Rotweinduft auftritt. Ein tiefer, schwerer Rotwein scheint das gewesen zu sein. Und Johannisbeere, eine klassisches Rotweinnote, die es bis in den Whisky geschafft hat. Überhaupt riecht der Deanston schön fruchtig.
Taste: Auf der Zunge erweist sich der Deanston zunächst als recht herb und trocken. Die Noten aus der Nase sind noch da, aber eben alles mit einer angenehm trockenen Unternote. Wenn das auf den Einfluss des Rotweins zurückzuführen ist, dann war das wohl ein sehr guter Vertreter seiner Art. Danach setzt sich dann doch langsam eine gewisse Süße durch. Und mit ein paar Tropfen Wasser wird er nochmal erheblich besser.
Finish: DasFinish ist lang und reiht bis tief in die Brust hinunter.
Wertung:
Das war ein exzellenter Whisky. Davon hätte ich gerne mehr, was bei handbefüllten Flaschen leider ein Wunsch bleiben wird.
Zur Destillerie gehts hier: Deanston
Glengoyne
Auch Glengoyne liegt in der Nähe von Glasgow und ist von dort aus mit dem Bus leicht zu erreichen. Eine Besonderheit dieser Destillerie ist es, dass sie selbst zwar in den Highlands liegt, ihre Warehouses - gerade mal auf der anderen Straßenseite - aber in den Lowlands. Die Straße bildet hier tatsächlich die Grenze zwischen den Regionen. Für die Destillerie ist diese Verteilung finanziell lukrativ, denn die Highlands werden als strukturschwache Region steuerlich gefördert. Ob diese Regelung zum Bauzeitpunkt der Destillerie (Eröffnung war 1833) schon bestand und den Bau beeinflusst hat, weiß ich allerdings nicht.
Glengoyne hält regelmäßig ein Fass im Shop vor, aus dem Kunden sich eine eigene Flasche abfüllen können. Am 07.04.2017 wurde die Flasche des Tastings abgefüllt, aus dem Ex-Bourbon Barrel #3564, das am 01.12.2004 destilliert wurde. Nach den 12 Jahren waren hier immerhin noch 58,1% Alkohol im Spiel.
Colour: M3 - Gelbgold
Nose: Es ist nicht verwunderlich, dass man bei einem Whisky aus einem Ex-Bourbon-Fass deutliche Holz- und Vanillenoten findet. Letztere sind sehr intensiv, geradezu "dick", als habe man eine Schote im Glas. Der Whisky macht - wenn ich mich richtig erinnere - einen typischen "Glengoyne-Eindruck". Alkohol ist nur wenig zu bemerken. Dafür finden wir noch Noten von Toffee, Fudge und Popcorn.
Taste: Den Alkohol hat sich der Glengoyne für den Mund aufgehoben. War davon in der Nase wenig zu bemerken, ist der Whisky jetzt spürbar scharf. Als sich der Alkohol verzieht, kommen Holz, Vanille und Pfeffer zum Vorschein, der Gesamteindruck ist herb und trocken (es gab allerdings auch andere Meinungen: einige Tastingteilnehmer fanden ihn süß). Aber schön warm (und wärmend) kam er daher. Ein paar Tropfen Wasser machen ihn weicher und süßer. Aber am Ende wird er doch wieder trocken.
Finish: Der Nachgeschmack ist warm und lang und reicht durchaus tief bis in die Kehle hinunter.
Wertung:
Auch wenn ich kein ausgemachter Freund von reinen Ex-Bourbon-Fass-Whiskies bin: dieser hier hat absolut seine guten Seiten.
Zur Destillerie gehts hier: Glengoyne
Auchentoshan
Eine weitere Destillerie, die in der Nähe von Glasgow liegt. Diesmal tatsächlich in den Lowlands und so nahe an der Stadt, dass sie noch im Bereich der Stadtbusse liegt. An der Great Western Road gelegen, die aus Glasgow in Richtung Loch Lomond und Westküste führt, zeigt sie sich den Besuchern schon von Weitem mit ihren großen weißen Gebäuden hinter großzügigen Rasenflächen.
Das jeweilige Fass für die Handabfüllungen steht bei Auchentoshan in einem abgetrennten Raum innerhalb des Warehouses. Wer abfüllen möchte, wird zwischen Fassreihen zum Fass geführt. Die Abfüllung darf man mit einem klassischen Valinch vornehmen.
Das "Fass des Abends" war das Pedro Ximénez Sherry Butt #135, destilliert am 24.02.2005. Die Flasche wurde am 05.04.2017 mit 59,8% Alkohol befüllt. Für die anderen - hoffentlich leckeren - Komponenten blieben also "nur" knapp 40% übrig.
Colour: D1 - Pariser Rot (sogar etwas dunkler, aber ohne den Braunton, der in der Farbkarte folgt)
Nose: In der Nase tut er dem informierten Probierenden den Gefallen, das klassische "Sherry-Bild" zu produzieren: Rosinen, Sherry, dunkle Früchte, Süße, Rumtopf. Das einzige, was nicht so recht ins Bild der Erwartungen passt, ist die Tatsache, dass wir erneut kaum Alkohol registrieren. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass die vier vorigen Whiskys - allesamt keine Leichtgewichte - auch schon ihre Wirkung hinterlassen haben ...
Taste: Auf der Zunge scheint sich der Eindruck bezüglich des Alkohols zu bestätigen, der Auchentoshen ist weich und sanft ... oh, wait! Im zweiten Moment kommt er ganz gewaltig. Da muss man dann schon den dritten Moment abwarten, bevor wieder die Sherrynoten durchkommen: Süße, intensive dunkle Früchte, Rosinen, Rumtopf. Alles da, was man erwartet. Und mit ein paar Tropfen Wasser wird er nochmal deutlich süßer.
Finish: Das Finish ist lang und heiß, der Whisky ist noch lange präsent - auf der Zunge und im Mundraum. Viel tiefer kommt er nicht. Aber bei so viel Geschmack ist es ja auch ganz nett, wenn der Whisky da bleibt, wo die Geschmacksknospen sind.
Wertung:
Starker und ganz klassischer Sherry-Whisky. Lecker!
Zur Destillerie gehts hier: Auchentoshan
Tomatin
Den Abschluss des Abends machte eine Destillerie, die in den letzten Jahren deutlich an Qualität zugelegt hat, was nicht zuletzt durch eine Reduzierung der Ausstoßmenge erreicht wurde. Die ersten Früchte dieser Qualitätsoffensive haben sich mittlerweile in Form der Standardrange im Markt etabliert, und auch die Einzelfässer sind ... tja, wie denn? Am besten, wir probieren mal aus einem.
Das Distillery Exclusive Single Cask war ein Oloroso-Fass (#5218), das am 11.11.2005 destilliert wurde. Elf Jahre später, am 03.06.2017, kam Michael bei Tomatin vorbei und nahm die Flasche mit, die mit 57,1% Alkohol auf den Tastingtisch kam.
Colour: D1 - Pariser Rot (sogar noch ein Stück dunkler, aber ohne den Braunton, der in der Farbkarte folgt)
Nose: Ja ist denn scho Weihnachten? An diesen Werbespruch kann man denken, wenn man seine Nase in diesen Whisky steckt. Vanille, Orange, Nüsse und allerlei andere weihnachtliche Aromen drängen in die Nase. Dazu Holz, etwas Gummi (oder habe ich hier von Tobermory geträumt???) und Trockenobst. Irgendwie hat der Whisky viele Sherrynoten, er riecht fast wie ein Sherry, nur nicht so süß.
Taste: Und im Munde geht es weiter mit den vorweihnachtlichen Gefühlen. Der Tomatin schmeckt ausgesprochen intensiv, nach in Alkohol aufgelösten Rosinen (naja, ein bisschen übertreibe ich jetzt schon), herb, fruchtig, würzig - und eben weihnachtlich.
Finish: Das Finish ist lang und tief, wenn auch nicht sehr warm.
Wertung:
Das war dann definitiv der Star des Abends. Sehr lecker! Ein würdiger Abschluss.
Zur Destillerie gehts hier: Tomatin
Am Ende war es wieder mal ein gelungener Abend. Viel Information, nette Gäste, ein gut gelaunter Gastgeber, ein leckerer Pausensnack im Gasthaus Zur Linde - und natürlich hervorragende Whiskys. Das ist irgendwie immer gleich, aber an dieser Stelle wiederhole ich mich gerne. Und deshalb kommen wir auch immer gerne wieder.